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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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bereit wären, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren.“
    „Die meisten Migranten sind es.“
    „Nicht alle.“
    „Es sind auch nicht alle Deutschen integrationswillig“, sagte ich ungeduldig.
    „Nein. Aber sie haben zumindest keine Verständigungsschwierigkeiten.“
    „Die meisten arabischen und türkischen Einwanderer, und auf die sprechen Sie hier doch an, sprechen auch Deutsch, zumindest bemühen Sie sich meiner Erfahrung nach.“
    „Dann sind Sie noch nie auf dem Hasenbergl gewesen. Wenn Sie dorthin kommen, fühlen Sie sich wie in Istanbul.“
    „Und was hat Sie in dieses Problemviertel verschlagen?“
    Nils ignorierte meine Frage. „Glauben Sie mir, die meisten Türken dort sind alles andere als integrationswillig. Die ziehen ihr eigenes Ding ab und schotten sich komplett von den Deutschen ab.“
    „Aber Sie können doch nicht alle Türken über einen Kamm scheren.“
    „Nein, das will ich auch gar nicht. Deswegen sagte ich ja auch die meisten und nicht alle.“ Nils richtete sich kerzengerade auf seinem Sitz auf. „Fakt ist, dass viele der Türken, die ich dort kennen gelernt habe, und ich betone viele und nicht alle, sich einen Dreck um die deutsche Kultur scheren. Und ihre Kinder sind die Leidtragenden, denn sie haben überhaupt keine Chance, aus diesem Teufelskreis herauszukommen, weil ihre Eltern nicht vernünftig für ihre Ausbildung sorgen. Und das einzige, was Sie von ihnen lernen, ist, das Land, in dem sie leben, zu verachten. Ihre beruflichen Chancen würde sich also mit Eltern, die bereit sind, sich zu integrieren, von alleine besser werden. Ganz ohne jede Umfrage!“
    Ich lachte höhnisch. „Thilo Sarrazin hätte seine helle Freude an ihren Ausführungen.“
    „Wenn Sie meinen“, entgegnete Nils. „Übrigens auch SPD-Mitglied. Wie Sie.“
    „Ein schwarzes Schaf.“
    Unbehagliches Schweigen legte sich wie eine kratzige Decke über uns.
    Ich musste es irgendwie schaffen, das Gespräch weg von meinem Beruf auf unverfänglichere Bahnen zu lenken, sonst würden wir uns zerfleischt haben, bis wir in Lucca ankamen.
    „Und wovon leben Sie, wenn Sie nicht für eine anspruchsvolle Serie wie Ein Haus in der Toskana vor der Kamera stehen?“ Ich bemühte mich um einen versöhnlichen Tonfall.
    Nils schien auf mein Friedensangebot einzugehen, denn seine Körperhaltung entspannte sich sichtlich.
    „Bis vor kurzem hatte ich eine Hauptrolle in einer Vorabendserie. Ansonsten Öffentlichkeitsarbeit: Filmpremieren, Partys, Geschäftseröffnungen, Charityveranstaltungen …“
    „Wie kann man denn von Charityveranstaltungen leben?“ Neugierig beugte ich mich vor. „Das Geld, das dort eingenommen wird, geht doch an Bedürftige.“
    „Natürlich. Aber ich bekomme Geld dafür, dass ich mit meinem Namen für diese Veranstaltungen werbe. Letzte Woche musste ich zum Beispiel eine Champagnerflasche signieren, die anschließend zu Gunsten eines Kinderheims versteigert wurde.“
    „Sie haben Geld dafür bekommen, dass Sie ihre Unterschrift auf eine Flasche gesetzt haben?“
    „Was dachten Sie denn?“, antwortete Nils.
    „Das ist unmoralisch.“
    „Was? Dass ich auf einer Flasche Champagner unterschrieben habe?“
    War dieser Mensch so begriffsstutzig oder wollte er mich nur provozieren? „Nein. Dass Sie Geld dafür genommen haben, sie zu signieren. Warum haben Sie es nicht umsonst gemacht? Sie hätten ihr Honorar den Kindern überlassen können.“
    „Die Flasche ist für 5000 Euro weggegangen. Für die Kinder blieb also immer noch genug übrig.“
    „Und von irgendetwas muss der Porsche schließlich finanziert werden, oder?“
    „Genau. Auch ich muss von irgendetwas leben.“
    „Aber doch nicht von dem Geld, das Sie armen Waisenkindern wegnehmen.“
    „Ich habe Ihnen nichts weggenommen. Nur weil ich mit meinem Namen geworben habe, ist überhaupt so viel auf der Veranstaltung eingenommen worden.“
    Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Was für ein eingebildeter Kerl? Mir wurde schlecht.
    „Dann sehen Sie Ihr Gekritzel auf der Champagnerfalsche wohl als gute Tat an?“
    Statt einer Antwort lächelte Nils nur gönnerhaft, zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück.
    Das brachte mich noch mehr in Rage. Ich wollte Nils’ arrogante Hülle zerstoßen und bis in sein schwarzes Inneres vordringen, egal wie. Und so holte ich tief Luft, um zu einem letzten, alles vernichtenden Schlag auszuholen „Wissen Sie was? Leute wie Sie sind der Grund, warum ich meinen Fernseher abgeschafft habe:

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