Aussicht auf Sternschnuppen
arrogante Säcke, die sich für den Nabel der Welt halten, nur weil sie die breite Masse mit ihren primitiven Rollenspielchen unterhalten. Was habe ich nur verbrochen, mir ausgerechnet mit Ihnen ein Auto teilen zu müssen?“
Nils sah mich ein wenig verblüfft an, zumindest schien ich den Überraschungseffekt auf meiner Seite zu haben, doch dann entgegnete er boshaft: „Dann scheinen wir bei all unseren Gegensätzen auch eine Gemeinsamkeit zu haben: Denn hätte ich gleich erkannt, was für eine besserwisserische Zicke Sie sind, wäre ich Ihnen als Mitfahrer garantiert erspart geblieben.“
Herausfordernd schauten wir uns beide an und keiner war bereit, als erster den Blick zu senken. Nils hatte es wegen seiner verspiegelten Sonnenbrille allerdings etwas einfacher als ich und so musste ich bereits nach einigen Sekunden klein beigeben. Verbissen stopfte ich die Reste meines mittlerweile komplett geschmolzenen Desserts in mich hinein und vermied jeden Blickkontakt.
Nachdem wir wieder ins Auto gestiegen waren und den Rasthof verlassen hatten, zeigte sich, dass es auf der Autobahn immer noch genauso wenig vorwärts ging wie vorher. Kaum hatten wir uns in die lange Schlange eingereiht, standen wir auch schon wieder. Das konnte ja heiter werden!
Nils fragte erneut sein Handy um Rat. „Kein Ende der Vollsperrung in Sicht. Wir fahren besser von der Autobahn auf die alte Brenner-Passstraße. In fünf Kilometern kommt eine Abfahrt.“
„Aber wenn es in diesem Tempo weitergeht, kann es noch Stunden dauern, bis wir dort sind.“
„Oder Sie benutzen den Standstreifen!“
„Oder ich benutze den Standstreifen“, wiederholte ich gottergeben.
Es half nichts. Je schneller diese Fahrt vorüber war, umso besser. Ich setzte den Blinker und fuhr rechts heraus. Dieses Mal machte ich allerdings erst gar nicht den Fehler, nach links in die empörten Gesichter der anderen Autofahrer zu blicken, sondern drückte gleich das Gaspedal durch.
In der letzten Nacht hatte ich einen Alptraum gehabt. Ich hätte ihn als ein schlechtes Omen ansehen können, würde ich nicht ständig von schlechten Träumen verfolgt werden.
Einer meiner Alpträume war der Hasenranch-Traum. Kleine Nagetiere, meistens waren es Hasen, lebten im Garten meiner Eltern in viel zu kleinen Kästen und vermehrten sich darüber hinaus ständig. Irgendwann waren es so viele, dass sie damit begannen, sich gegenseitig aufzufressen. Von diesem Traum gab es mehrere Varianten: Manchmal spielten keine Hasen, sondern Ratten, Mäuse oder Meerschweinchen die Hauptrolle und in einer besonders schrecklichen Version brach bei uns zu Hause ein Feuer aus und ich versuchte die Hasen zu retten, was mir aber nicht gelang. Was aber all diese Träume gemeinsam hatten, war, dass ich stets schweißgebadet und mit dem Gefühl, versagt zu haben, aufwachte.
Ich konnte mir keinen rechten Reim auf diesen Traum machen. Als Kind hatte ich zwar einen Hasen besessen, er hieß Moritz, aber sein Käfig war ausreichend groß gewesen, außerdem durfte er jeden Tag mehrere Stunden im Garten herumhoppeln. Mit jemandem über diesen Traum sprechen wollte ich nicht und durch meine Recherchen im Internet auf den einschlägigen Traumdeutungsseiten erfuhr ich lediglich, dass der Hase ein Symbol für Fruchtbarkeit ist. Vielleicht lag die Ursache des Traumes in meiner Angst vor Kontrollverlust begründet, vielleicht aber auch schlicht und ergreifend darin, dass ich, bis ich mit neunzehn von zu Hause auszog, mein Zimmer mit Fee teilen musste.
Der zweite Alptraum, der mich durch eine Vielzahl meiner Nächte begleitete, musste für Außenstehende ziemlich unspektakulär wirken, denn ich tat für gewöhnlich gar nichts, sondern saß einfach nur da und dachte nach. Und zwar darüber, mit wem ich gerade zusammen war. Ich wusste genau, dass es in meinem Leben jemand ganz besonderen gab, jemanden, der groß und stark war und bei dem ich mich anlehnen konnte, jemand, der nach zu Hause roch. Und verzweifelt ging ich alle Männer durch, die in meinem Leben eine Rolle spielten oder gespielt hatten, und überlegte, wer von ihnen es sein könnte, doch niemand von ihnen kam an mein Idealbild heran.
Seit zwei Jahren gabelte sich an dieser Stelle der Traum:
In einer Variante wurde mir bewusst, dass ich Single war. Ich stand mutterseelenallein auf dieser Welt und würde es für immer bleiben. Die zweite Abart des Traums toppte die erste noch, denn ich kam zu dem Ergebnis, dass ich wieder mit Olli zusammen war. Verzweifelt
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