Aussicht auf Sternschnuppen
der Richtige für Sie ist?“
„Ja. Das hat es. Hat Ihres noch nie mit Ihnen gesprochen?“
„Doch. Leider jedoch schon mehrmals“, fügte ich ein wenig zerknirscht hinzu. Egal ob Thorsten, Arthur, Olli oder Giuseppe – ich hatte zumindest zeitweise bei jedem von ihnen gedacht, endlich angekommen zu sein.
„Dann haben Sie den Richtigen noch nicht getroffen“, sagte Lydia und lächelte versonnen. „Denn wenn Sie ihn treffen, dann wissen Sie es. Vielleicht nicht sofort, aber irgendwann kommt der Moment, in dem Sie es wissen.“
„Und in welchem magischen Moment haben Sie es erfahren?“
„Ich habe mich einmal bei der Kartoffelernte auf dem Feld am Finger verletzt. Lorenzo hat meine Wunde gesäubert, verbunden und sie anschließend geküsst. Er meinte, sie würde dann schneller heilen. Wir sahen uns an und in diesem Moment wusste ich es. Ich habe es einfach gewusst.“
Ich dachte nach. Hatte es diesen einen, ganz besonderen Moment zwischen Giuseppe und mir vielleicht auch gegeben? Im Urlaub? Bei einem Abendessen? Oder nachdem wir miteinander im Bett waren? Und auf einmal musste ich an Nils denken und daran, wie sich unsere Hände gestern Nacht berührt hatten. Ich sah wieder in seine grünen Augen, spürte seinen Atem über meine Wange streifen und fühlte seinen Lippen auf meinen. Schnell schüttelte ich den Kopf, um dieses Bild zu vertreiben und warf einen raschen Blick auf meinen Mitfahrer, der immer noch fleißig auf sein Handy einredete.
„Und nun sind Sie nach Italien gefahren, um Ihren Lorenzo wiederzusehen?“, fragte ich, um mich wieder in die Gegenwart zurückzuholen.
„Ja. Nachdem ich aus der Reha gekommen bin, habe ich zuerst Sonja angerufen. Ich habe viel zu lange damit gewartet, einen Schritt auf sie zuzumachen. Und dann habe ich an Lorenzos alte Adresse geschrieben. Aber mein Brief kam zurück und als ich bei der Telefonauskunft nachfragte, teilte man mir mit, dass in Verona kein Lorenzo Tozzi verzeichnet sei. Also bin ich hierher gefahren. Was hatte ich schon zu verlieren? Nichts, oder? Ich wollte sowieso zu Sonja nach München und von dort aus ist es nur noch ein Katzensprung bis nach Verona. Schlimmstenfalls wäre diese Reise nur ein schöner Urlaub gewesen. Aber eine ehemalige Nachbarin konnte mir weiterhelfen. Lorenzo ist vor zehn Jahren zu seiner Tochter an die Küste gezogen. Nach Viareggio. Er lebt noch.“ Lydias Gesicht erhellte sich für einen Augenblick. Doch dann straffte sie die Schultern. „Aber kommen wir zu der Geschichte, die Sie am meisten interessiert. Sie wollten wissen, wie ich Ihren Giuseppe kennen gelernt habe.“
Ich nickte etwas überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel.
„Nun, Sie haben ja selbst gesehen, welche Zustände am Flughafen geherrscht haben. Sonja hat mich hingefahren und wollte mich schon wieder mit zurücknehmen, als wir eine Durchsage hörten. Reisende, die Interesse daran haben, sich einen Mietwagen nach Budapest zu teilen, sollten sich an der Flughafen-Information melden. Ich beschloss, mir ebenfalls einen Wagen zu mieten und nach Mitfahrern zu suchen. So ganz alleine traute ich mich dann doch nicht, nach Italien zu fahren. Giuseppe hat sich sofort gemeldet und gleich darauf ein junges Mädchen, Maria. Eine Studentin aus Florenz, die in den Semesterferien ihren Freund in München besucht hat.“ Sie lächelte listig. „Die beiden wollen im Sommer heiraten.“
Angela war also in Wirklichkeit eine Maria. Ich ließ diese Neuigkeit ein wenig auf mich wirken.
„Aber wenn diese Maria einen Verlobten hat, warum wollten Giuseppe und sie sich dann küssen?“
„Hat das für Sie so ausgesehen?“
„Ja, sonst hätte ich wohl kaum meinen Autoschlüssel nach ihm geworfen.“
„Glauben Sie mir“, Lydia sah mich nachsichtig an, „die beiden wollten sich bestimmt nicht küssen. Ich habe daneben gestanden. Ihre Eifersucht muss Ihnen den Blick vernebelt haben.“
Doch ich gab mich noch nicht geschlagen. „Aber wer ist dann Angela? Sie hat Giuseppe auf Italienisch geschrieben, dass sie es kaum erwarten kann, ihn wiederzusehen. Hat er Ihnen etwas über sie erzählt?“
Lydia schüttelte den Kopf. „Nein. Und ich würde diese SMS nicht überwerten. Ich kenne Ihren Giuseppe zwar nicht sehr gut, aber er erscheint mir kein Casanova zu sein. Die einzige Frau, von der er erzählt hat, war seine Mutter. Sie hat mehrere Male auf seinem Handy angerufen, um sich zu erkundigen, ob er es trotz der Aschewolke und dem Stau rechtzeitig schafft, auf der
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