Aussicht auf Sternschnuppen
Goldenen Hochzeit zu erscheinen.“
„Auf welcher Goldenen Hochzeit?“
Lydia sah mich verwundert an. „Na, auf der Goldenen Hochzeit seiner Eltern. Deswegen musste Giuseppe doch so dringend nach Lucca.“
„Goldene Hochzeit“, wiederholte ich. „Er ist wirklich zu der Goldenen Hochzeit seiner Eltern gefahren?“
„Wussten Sie das nicht?“
Plötzlich hatte ich einen Kloß im Hals. „Nein. Mir hat er erzählt, er müsse geschäftlich nach Italien.“
Schweigend saßen wir einige Augenblicke nebeneinander.
Von wegen Geschäftsreise. Giuseppe hatte mich angelogen. Er war auf dem Weg zu der Goldenen Hochzeit seiner Eltern. Aber mich wollte er nicht dabei haben. Ich merkte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen.
„Ach Kindchen, quälen Sie sich nicht!“ Lydia legte ihre Hand auf meine und tätschelte sie kurz. „Sie sind jetzt soweit gefahren. Nun sollten Sie auch noch das letzte Stück auf sich nehmen.“
„Was meinen Sie?“
„Fahren Sie nach Lucca und stellen Sie Ihren Giuseppe zur Rede.“
„Aber ich kann doch nicht ohne Einladung auf einem italienischen Familienfest auftauchen?“
„Warum nicht? Momentan gehören Sie doch noch zur Familie.“
„Ich weiß nicht …“, meinte ich zweifelnd.
„Natürlich wissen Sie es. Tief im Inneren weiß man doch immer, was man will. Und Sie wollen Gewissheit. Und die können Sie nur in Lucca bekommen.“
„Aber was soll ich Giuseppe sagen?“
„Nichts. Lassen Sie ihn reden. Sie müssen sich schließlich nicht vor ihm rechtfertigen. Wenn er Ihnen eine glaubhafte Erklärung für seine Lüge bietet, gut. Und wenn nicht, dann schicken Sie Ihn in die Wüste. Glauben Sie mir, Kindchen, das Leben ist zu kurz, um sich mit halben Sachen zufrieden zu geben.“
Sie schloss die Augen und hielt ihr Gesicht der Sonne entgegen, bis Nils das Zeichen zur Weiterfahrt gab.
Im Vergleich zum historischen Verona war Viareggios Altstadt unspektakulär und kaum der Rede wert. Der kleine Küstenort überraschte jedoch mit einer eleganten Strandpromenade und einem beeindruckenden Hafen.
„Wir sind da!“ Nils bog in die piniengesäumte Via IV Novembre ein, die direkt gegenüber eines großen Parks lag. „Dort ist es.“
Er zeigte auf ein elegantes Haus, das sich hinter einer sauber gestutzten Hecke versteckte.
„Jetzt sind Sie nur noch ein paar Meter von Ihrer Vergangenheit und vielleicht auch von Ihrer Zukunft entfernt!“ Belustigt sah er Lydia an, die auch ihm auf unserer Fahrt zu dem kleinen Küstenort von ihrer unglücklichen Liebe zu Lorenzo erzählt hatte.
Lydia nestelte nervös an einer Strähne herum, die sich aus ihrem festen Dutt gelöst hatte. „Ich glaube, ich brauche noch einen Moment. Darf ich Sie zu einem Stück Kuchen und Kaffee einladen? Als Dankeschön dafür, dass Sie mich mitgenommen haben.“
Nils sah mich fragend an.
Ich nickte, denn ich hatte es mittlerweile ebenso wenig eilig, mich meiner höchst ungewissen Zukunft zu stellen. „Nur ein paar Straßen weiter habe ich ein nettes Café gesehen.“
Das Civiltà del Bere lag in der Mitte einer kleinen Fußgängerzone und lockte mit dunkelroten Sonnenschirmen und bequemen Stühlen. Nils setzte Lydia und mich vor dem Café ab und machte sich dann auf die Suche nach einem Parkplatz, was sich in dem dicht besiedelten Wohnviertel rund um die Fußgängerzone als gar nicht so einfach erwies.
Erleichtert ließ ich mich in einen der Korbsessel sinken. Fast 300 Kilometer bei brütender Hitze in einem Smart hatten mich geschlaucht. Ich bestellte einen Cappuccino und hätte mich fast für mein traditionelles Spaghettieis entschieden, schwenkte dann aber gerade noch zu den Bignes di Crema con Cioccolata e Panna um. Diese Reise sollte einen Einschnitt in meinem Leben darstellen, mich spontaner werden lassen, weg von ausgetretenen Pfaden führen und was war spontaner, als sich ein Dessert zu bestellen, bei dem ich keine Ahnung hatte, was mich erwartete.
Die bignes stellten sich als mit Vanillecreme gefüllte Teigkügelchen heraus, die mit heißer Schokolade übergossen und einem Klecks Sahne garniert waren. Sie hielten, was sie versprachen, denn sie schmeckten köstlich und lagen wie Steine im Magen.
Lydia bestellte sich einen Café Latte und ein Stück Ricotta-Torte. Beides allerdings erst, nachdem ich sie davon überzeugen konnte, dass ein Café Latte lediglich die italienische Bezeichnung für einen ganz normalen Kaffee war, eine Ricotta-Torte so etwas Ähnliches wie ein Käsekuchen. Ihre
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