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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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Bestellung rundete sie mit einem doppelten Grappa ab.
    Nils stieß erst nach zehn Minuten wieder zu uns.
    „Wir wollten gerade einen Suchtrupp losschicken“, begrüßte ich ihn wenig originell.
    „Es ging nicht schneller“, antwortete er leicht außer Atem. „Hier gibt es keine freien Parkplätze. Ich musste mich ins Halteverbot stellen.“
    „Ins Halteverbot? Ist das nicht ziemlich leichtsinnig? Was ist, wenn das Auto abgeschleppt wird?“
    „Darf ich dich daran erinnern, wo du in Verona geparkt hast?“ Nils hob die Hand, als er den Kellner an uns vorbeiwuseln sah. „Per favore, mi porti un espresso con un pezzo di torta a mandorle e ciocolato!”
    Kurz darauf stand beides vor ihm und Nils machte sich mit großem Appetit über seine Mandel-Schokoladentorte her. Auch ich hatte meine Bignes schon aufgegessen. Lydia dagegen stocherte mehr in ihrem Tortenstück herum, als dass sie es aß. Lediglich den Grappa hatte sie in einem Schluck hinuntergekippt.
    „Sind Sie nervös?“, fragte Nils.
    „Natürlich. Was glauben Sie denn?“, antwortete Lydia und lachte ihr Kettenraucher-Lachen. „Es ist über 60 Jahre her, dass Lorenzo nach Italien zurück ist. Er könnte mittlerweile wie Jopi Heesters aussehen! Vielleicht hat er keinen einzigen Zahn mehr im Mund und muss mit Brei gefüttert werden? Alt genug dazu wäre er ja.“
    Ich beruhigte sie: „Vielleicht sieht er auch wie Sean Connery aus. Ist der nicht ebenfalls schon über achtzig?“
    „Sean Connery ist eine Ausnahme. Aber Sie haben Recht. Ich muss mich entspannen.“ Lydia schloss die Augen und atmete mehrere Minuten tief ein und aus. Dann öffnete sie wieder.
    „Es geht nicht. Aber wie denn auch? Wären Sie nicht nervös, wenn Sie Ihre große Liebe nach so langer Zeit wiedersehen würden?“
    „Doch, doch, natürlich.“ Beschwichtigend legte ich meine Hand auf ihre kleine, die runzlig und von dicken Adern übersät war. „Brechen wir auf! Sie bringen sowieso keinen Bissen mehr herunter.“
    „Gut, aber lassen Sie uns zu Fuß zur Via Dingsbums gehen. Der Grappa braucht noch einige Augenblicke, bis er wirkt.“
    Nachdem der Kellner uns die Rechnung gebracht hatte, schnappte sich Nils ihren Trolley und ging voraus. Lydia und ich bummelten hinterher.
    „Er mag sie“, sagte Lydia.
    „Wer? Giuseppe? Hat er Ihnen doch von mir erzählt?“
    „Ich rede von Dr. Wohlschläger.“
    „Von Nils? Wie kommen Sie darauf?“
    „Man merkt es daran, wie er Sie ansieht.“
    „Meinen Sie.“ Ich verzog zweifelnd mein Gesicht.
    „Und Sie mögen ihn auch!“
    „Erkennt man das auch an der Art, wie ich ihn ansehe?“
    Lydia lächelte wissend, gab mir aber keine Antwort.
    Doch so leicht ließ ich mich nicht abwimmeln. „Nils und ich sind eine reine Zweckgemeinschaft. Sie hätten uns die ersten Stunden unserer gemeinsamen Fahrt erleben sollen. Fast hätten wir uns zerfleischt. Bestenfalls haben wir uns jetzt arrangiert.“
    Wieder dieses wissende Lächeln.
    Ich gab mich geschlagen.

    Das Haus, in dem Lorenzos Tochter wohnte, war ein elegantes mehrgeschossiges Wohngebäude, das sich uns bei näherem Betrachten als Villa Aurelia vorstellte.
    Ich pfiff unwillkürlich durch die Zähne. Nicht schlecht! Sollte Lydia jemals darüber nachdenken, zu Lorenzo zu ziehen, würde sie auf jeden Fall stilvoll wohnen. Durch zwei hohe Torpfosten hindurch, die mit einer Art Geranie geschmückt waren, konnte man einen Blick auf die schneeweiße, reich mit Stuckelementen verzierte Fassade werfen. Rosenbüsche umsäumten das Haus und im Garten wuchs neben einer Pinie auch eine hohe Palme. Auf dem großen Balkon, der sich gleich über zwei Seiten des Hauses erstreckte, standen Hibiskusbüsche und prächtige gelbe Callas. Irgendwo im Haus übte jemand Klavier.
    „Lorenzo wohnt im ersten Stockwerk. Seine Tochter heißt Bartole“, sagte Lydia mit einem Blick auf das Türschild. Sie sah erschöpft aus.
    Nils legte seinen Zeigefinger auf den Klingelknopf. „Sind Sie bereit?“
    „Nein.“ Lydia wirkte noch kleiner, als sie sowieso schon war, und auf ihren durchscheinenden Wangen hatten sich hektische rote Flecken gebildet. „Aber klingeln Sie trotzdem.“
    „Pronto.“ Eine atemlose Frauenstimme meldete sich aus dem Lautsprecher.
    „Signora Bartole. È a casa il vostro padre?“
    „Non. È andato a spasso.“
    „Lorenzo ist nicht zu Hause, er ist spazieren“, übersetzte Nils und ich hörte Lydia enttäuscht ausatmen. „Mi può dire quando ritornerà?“
    „Un momento.“
    Kurz

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