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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Koppold
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dem weit geöffneten Fenster und blickte in den Sternenhimmel.
    Morgen würde ich also Giuseppe gegenübertreten und ihn damit konfrontieren, dass er mich angelogen hatte.
    Seit Monaten bettelte ich darum, seine Eltern kennen lernen zu dürfen, doch bisher hatte er immer eine andere Ausrede gefunden, warum wir nicht nach Italien oder sie nicht zu uns kommen konnten. Dabei hatte er sich einfach nur geschämt, mich ihnen vorzustellen. Ich musste schlucken und beschloss, nun doch ins Bett zu gehen und zu versuchen, sofort einzuschlafen.
    Aber das war leichter gesagt als getan. Denn sobald ich mich dazu zwang, an nichts zu denken, prasselte erneut ein ganzes Gedankenkonglomerat auf mich ein. Ich dachte an Lydia, an Lorenzo, an die Villa, in der er lebte, ich dachte an den gestrigen Tag, an die Wanderung zum Gebirgssee, an Verona, an die Piazza Brà, an meinen Gefängnisaufenthalt und ich dachte, so sehr ich es auch zu vermeiden versuchte, auch an Nils.
    „Wünscht es sich nicht jeder von uns, einen Menschen zu finden, für den er etwas ganz Besonderes ist?“, hatte er in der Trattoria gesagt. Mir wurde erneut heiß. Mein Gott, warum verwirrte mich dieser Typ nur so?
    Ich musste versuchen, jeden Gedanken an ihn energisch zu verdrängen. Ich würde Schäfchen zählen.
    Es funktionierte und nach dem hundertfünfzigsten Schaf gewann meine Müdigkeit langsam die Oberhand und ich merkte, wie die einzelnen Bilder in meinem Kopf begannen, ineinander zu verschwimmen und einer beruhigenden Schwärze Platz machten.
    Doch auf einmal, ich war gerade weggedöst, schoss ich senkrecht in die Höhe. Es hatte geklopft.
    „Ja?“, fragte ich ängstlich.
    Von draußen hörte ich leise Nils’ Stimme. „Ich bin’s. Kann ich reinkommen?“
    „Einen Moment.“
    Der Schreck saß mir noch in den Gliedern, als ich mich mit zitternden Knien aus dem Bett schwang und ihm öffnete.
    Nils lehnte im Türrahmen.
    „Warum hast du geklopft?“
    „Steht das Angebot mit dem Nachtisch noch?“

Am nächsten Tag wachte ich auf und fühlte mich so glücklich, wie schon lange nicht mehr. So glücklich, dass ich am liebsten wild durch das Zimmer getanzt und lauthals gesungen hätte vor Freude. Ja! Ja! Ja!!! So fühlte man sich also nach einer Nacht mit richtig gutem Sex! Phantastisch! Ich biss in mein Kopfkissen, um nicht laut loszuschreien. Denn ich musste leise sein. Damit ich Nils nicht weckte. Ich wollte dieses wundervolle Gefühl, nackt und eng aneinander gekuschelt nebeneinander zu liegen, noch ein wenig auskosten.
    Mir war schon vorher klar gewesen, dass Nils ein ganz passabler Liebhaber sein würde. Spätestens nach unserem Kuss in Verona hatte ich es gewusst. Aber ich hätte nicht gedacht, dass er derart gut sein würde. Vielleicht lag es an seiner Erfahrung – ich war mir sicher, er hatte eine Menge Frauen vor mir gehabt –, vielleicht hätte ich aber auch nur schon viel früher einmal einen One-Night-Stand haben sollen!
    In diesem Augenblick murmelte Nils etwas vor sich hin und drehte sich auf den Rücken. Im Schlaf sah er jünger und viel verletzlicher aus als im wachen Zustand. Sein Mund zuckte und seine Nase kräuselte sich, als hätte ihn etwas gekitzelt. Unter seiner linken Augenbraue befand sich eine schmale, gezackte Narbe, die mir vorher noch gar nicht aufgefallen war, und er musste sich unbedingt wieder rasieren. Vorsichtig strich ich ihm über die stoppelige Wange. In diesem Moment öffnete Nils die Augen und ich schaute verschämt beiseite. Wie ein verliebter Teenager musste ich auf ihn wirken!
    „Guten Morgen.“ Er blinzelte einige Male verschlafen.
    „Morgen“, murmelte ich und wusste nicht, was ich sonst noch sagen sollte.
    Doch Nils nahm mir das Problem ab, indem er mich zu sich herunterzog und küsste. Ich war froh, ihm nicht mehr in die Augen sehen zu müssen, und ließ meinen Kopf auf seine Schulter sinken. Schweigend lagen wir einige Minuten nebeneinander. Nils’ Brustkorb hob und senkte sich ruhig und diese regelmäßige Bewegung sorgte dafür, dass ich mich wieder entspannte. Es fühlte sich ungewohnt an, über seine Brust zu streichen. Giuseppe war behaart wie ein Bär. Doch Nils hatte lediglich unterhalb des Nabels ein paar Haare. Der Pfad zum Glück, so nannte Fee den schmalen Streifen, der sich von dort bis in die tieferen Regionen erstreckte. Ich konnte gerade noch ein Kichern unterdrücken.
    Durfte man das überhaupt? Nach einem One-Night-Stand nebeneinander liegen bleiben und kuscheln? Musste man nach einer

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