Aussicht auf Sternschnuppen
zögerte einen kleinen Moment. „Ich bin noch in einer Besprechung. Kann ich dich gleich zurückrufen?“
Ich lachte freudlos auf. Klar! „Heißt dieser Kunde zufällig Angela?“
„Nein. Wie kommst du darauf?“ Giuseppe hörte sich ehrlich verwirrt an.
„Lüg mich nicht an! Ich weiß genau, dass du nicht aus geschäftlichen Gründen in Italien bist, sondern wegen der Goldenen Hochzeit deiner Eltern. Und ich weiß auch, dass es eine Angela in deinem Leben gibt, die sich ganz besonders darauf freut, dich wiederzusehen.“
„Woher weißt du …?“
„Ich habe die SMS gelesen. Ich weiß, dass es nicht in Ordnung ist, im Handy des Partners herumzuschnüffeln und ich bin nicht stolz darauf, aber ich habe die SMS gelesen.“
„Und woher weißt du …?“
„Von deiner Mitfahrerin Lydia. Ich bin in Italien.“
Stille am anderen Ende der Leitung. Ich beschloss, aufs Ganze zu gehen.
„Ich will wissen, wo ich bei dir dran bin. Ich will es wissen, wenn du eine Geliebte hast, und ich will auch wissen, warum du mir nichts von der Goldenen Hochzeit erzählt hast.“
Giuseppe schien sich gefangen zu haben. „Helga, ich muss dir das alles erklären. Magst du herkommen? Oder soll ich dich abholen? Wo bist du?“
„Im Grand Hotel in Viareggio. Kannst du mir das, was du mir zu sagen hast, nicht auch am Telefon mitteilen?“
Giuseppe lachte verlegen auf. „Du willst doch wissen, wer Angela ist, oder?“
„Ja, will ich.“
„Dann ist es am besten, wenn du herkommst.“
Als ich an Nils’ Tür klopfte, fühlte ich mich noch elender als eben auf der Toilette.
„Komm rein!“ Nils stand am Bett und packte gerade einige Kleidungsstücke in seine Reisetasche. „Hast du dir schon überlegt, was du jetzt machen möchtest?“
„Ja. Ich fahre zu Giuseppe nach Lucca.“
Er hielt mitten in seiner Bewegung inne und starrte mich an.
„So hatte ich es schließlich von Anfang an geplant. Nach Italien fahren, um mit Giuseppe zu reden. Das wusstest du doch“, ging ich sofort in die Defensive.
Nils’ Gesicht verzog sich spöttisch. „Hast du die letzte Nacht auch geplant?“
„Natürlich nicht. Das war ein Ausrutscher.“
„Ein Ausrutscher“, wiederholte er ausdruckslos.
„Allerdings ein sehr schöner“, fügte ich schnell hinzu. Unbehaglich trat ich von einem Fuß auf den anderen. „Ich rufe mir jetzt ein Taxi.“
„Das brauchst du nicht. Lucca liegt auf meinem Weg. Ich kann dich mitnehmen.“
Die ganze Fahrt von Viareggio nach Lucca schaute Nils stur geradeaus und sprach kein einziges Wort mit mir. Unglücklich schaute ich aus dem Fenster auf die monotone Bundesstraße, die uns von der Küste weg ins toskanische Hinterland führte. Einzige Abwechslung in der trostlosen Szenerie bildeten ein paar Zypressen, die wie scharfe Ausrufezeichen in den Himmel stachen. Erst nachdem wir von der Straße ins toskanische Hinterland abgebogen waren, wurde die Landschaft wieder etwas lieblicher. Vorbei an grünen Wiesen, leuchtend gelben Rapsfeldern und schattigen Alleen passierten wir kleine Dörfchen, deren Häuser in verschiedenen Terrakottatönen warm in der Sonne lagen, und winzige Gärten mitten im Nirgendwo. Und all das unter dem milchig-blauen Himmel, den ich bereits vom Vortag kannte. Kurz hinter dem kleinen Städtchen San Giuliano stieg der Weg steil ins Gebirge an und die Landschaft wurde wieder rauer. Das satte Grün der Wiesen und Felder wich zunehmend tönerner Erde, auf der die graublättrigen Olivenbäumchen wie von Kinderhand dahin getüpfelt wirkten.
Die Villa Principessa lag etwa drei Kilometer von Lucca entfernt inmitten eines großen Parks mit uralten Bäumen, an denen sich Efeu in langen Schlangen hochrankte. Als wir am Ende der bambusgesäumten Auffahrt angekommen und aus dem Auto ausgestiegen waren, brach Nils endlich sein Schweigen.
„Bist du dir sicher, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast?“, fragte er mit regungsloser Miene und zeigte auf das steinerne Eingangsportal.
Ich nickte beklommen.
„Und das ist es wirklich, was du von deinem Leben erwartest? Mit einem Mann zusammen zu sein, der dir erzählt, er müsse geschäftlich nach Italien und der stattdessen auf die Goldene Hochzeit seiner Eltern fährt?“
„Ich weiß doch überhaupt nicht, warum er das alles getan hat.“
„Ach, du weißt es nicht?“
„Nein.“
„Dann sag ich es dir.“
„Und warum hat er mir nichts von dem Fest erzählt?“
Nils sah mich fest an. „Weil er nicht den Mumm hat, in eurer
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