Aussicht auf Sternschnuppen
draußen. Um mich herum nur das Plätschern der Wellen, neben mir Nils’ gleichmäßiger Atem.
Nach einer Weile drehte ich mich vom Bauch auf den Rücken und ließ mich vom Wasser tragen. Nils folgte meinem Beispiel wortlos. Ich blickte in den glühenden Himmel und auf die kreisenden Möwen und war auf einmal glücklich. Sanft schaukelten mich die Wellen hin und her und trieben mich dabei immer wieder auf Nils zu, so dass sich unsere Finger berührten und gleich darauf wieder trennten. Ich schloss die Augen und genoss die letzten warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Bilder des gestrigen Abends stiegen in mir auf. Ich sah mich und Nils auf dem Steg am Gardasee sitzen, der Himmel von glitzernden Sternschnuppen erhellt. Und ich sah uns im Hotelzimmer, wie wir uns an den Händen hielten und küssten. Es war schön gewesen!
Erneut wurde ich auf Nils zu getrieben. Meine Finger strichen über seinen Arm, seine Hand berührte meine Hüfte. Die ganze Situation hatte etwas beunruhigend Intimes. Und sie geriet zunehmend außer Kontrolle. Denn ich wollte Nils festhalten, ich sehnte mich danach, seine Hände noch einmal auf meiner Haut zu spüren, in seine grünen Augen zuschauen und … Mich packte etwas am Bein. Ein Fisch! Ich quiekte auf und kam umgehend wieder in die Senkrechte, dabei strampelte ich heftig und rang nach Luft. Hektisch schaute ich um mich. Und blickte in Nils’ schuldbewusstes Gesicht.
„Sorry“, meinte er zerknirscht, „ich dachte nicht, dass deine Angst vor Fischen so groß ist.“
Wütend starrte ich ihn an. „Angst. Mich hätte fast der Schlag getroffen.“ So schnell ich konnte schwamm ich zum Strand zurück. Um nicht nur Nils, sondern vor allem auch meinen unzüchtigen Gedanken zu entfliehen. Doch kurz bevor ich den Strand erreichte, gelang es ihm, mich einzuholen. Schwer atmend nahmen wir unsere Handtücher, wickelten uns darin ein und ließen uns in den kühlen Sand plumpsen.
„Du weißt, dass es strengstens verboten ist, Hotelhandtücher mit an den Strand zu nehmen?“, fragte Nils gespielt vorwurfsvoll.
Ich nickte. „Deine rebellische Ader scheint auf mich abzufärben.“
„Ich habe einen guten Einfluss auf dich.“ Er machte ein beifälliges Gesicht. „Dein neues Ich gefällt mir.“
Ich wusste, dass er mich nur aufzog, merkte aber trotzdem, wie die Farbe meines Teints mit der Farbe des Abendhimmels gleichzog.
Mir fiel auf, dass ich schon seit einer halben Stunde nicht mehr an Giuseppe gedacht hatte.
Auf dem Weg zu der Villa Aurelia hatte ich ein lang gezogenes Gebäude aus terrakottafarbenen Natursteinen bemerkt, die Trattoria La Chiesina, und ich bat Nils, dorthin zum Abendessen zu gehen. Insgeheim hoffte ich, auf unserem Weg Lydia und Lorenzo zu begegnen, um zu erfahren, wie ihre Geschichte weiterging, doch das Schicksal war mir in dieser Hinsicht nicht gewogen.
Im Gegensatz zum gestrigen Abend war die Nacht sternenlos. Lediglich ein runder Mond begleitete uns auf unserem Weg durch das nächtliche Viareggio. Da weder Nils noch ich riesigen Hunger hatten, bummelten wir ein wenig an der Uferpromenade entlang, bevor wir kurz vor dem Yachthafen in die Innenstadt abbogen. Ziellos schlenderten wir durch die engen Gässchen, bis wir zufällig ein kleines, etwas versteckt liegendes Obst- und Gemüsegeschäft passierten, vor dem friedlich, als wäre er nie vermisst worden, unser Smart parkte. An das Auto hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht!
Aufgeregt packte ich Nils am Arm. „Siehst du das, was ich sehe?“
„Ist dieses Etwas rot und hat vier Räder?“
„Ja, ist es. Hallo!“ Liebevoll tätschelte ich dem kleinen Auto über die Motorhaube.
Nils öffnete schnell den Kofferraum und fand seine Reisetasche darin unversehrt wieder. „Gott sei Dank. Ich hatte schon befürchtet, mir heute Abend noch eine neue Zahnbürste kaufen zu müssen.“ Die Erleichterung darüber, den Smart und sein Gepäck wieder zu haben, stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
In der Trattoria setzten wir uns an einen der blank gescheuerten Tische und bekamen von einem Kellner mit männlich-kantigem Gesicht und muskulösen Oberarmen auch sofort die Speisekarte gebracht. Freundlich erkundigte er sich, ob er uns etwas zu trinken bringen dürfe und strahlte mich dabei an. Ich erwiderte sein Lächeln geschmeichelt und bestellte eine große Flasche Wasser und einen Viertelliter Valpolicella.
Bevor der Kellner sich umdrehte, schaffte es Nils gerade noch, sein Bier zu ordern.
„Wolltest du
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