Australien 02 - Der Sternenleser
Leutnants, hatten nur mitgemacht, nicht angeführt, und blieben vom Strang verschont. Sie standen schon zusammengesunken da, als der Kommandant sein Schwert zog, mit dem er zuerst ihre Rangabzeichen abhieb und dann einen Messingknopf ihres Regiments nach dem anderen. Er hielt das Schwert locker in der Hand, und als er fertig war, hatten sich die Jacken in traurige Lumpen verwandelt, der Stoff war zerfetzt, die Aufschläge hingen lose herunter.
Dann wurden die beiden aus dem Tor herausgeführt und in die Vergessenheit entsandt. Ihre vom Barbier öffentlich kahl geschorenen Köpfe sahen in dem unbarmherzigen Sonnenlicht unverhältnismäßig klein aus. Natürlich würden ihnen die Haare wieder nachwachsen, und sie würden weiterhin herumlaufen und atmen und essen. Sie waren nicht tot. Doch sie hätten es genauso gut sein können. Sie würden in dieser Welt nie wieder einen Platz finden. Kein Mensch wollte persönlich oder beruflich etwas mit einem Mann zu tun haben, der unehrenhaft aus der Armee entlassen worden war.
Sämtliche Soldaten der Garnison hatten mit geschulterten Musketen in Reih und Glied gestanden und zugeschaut. Sie hatten keine Wahl gehabt, denn das Zuschauen war schließlich die Hauptsache. Niemand, der dieses schaurige Spektakel schwitzend durchgestanden hatte, würde jemals vergessen, was mit solchen geschah, die nicht dienten und gehorchten.
Rooke wusste, dass er es nicht vergessen würde. An jenem Nachmittag, an dem seine Gefühle einem Angriff ausgesetzt worden waren, der sie vor Entsetzen hatte erstarren lassen, wurde ihm klar, dass unter der freundlichen Oberfläche des Lebens in Seiner Majestät Diensten, hinter den Ritualen, Uniformen und Scherzen das Grauen saß.
Er hatte geglaubt, eine Nische zu finden, in der es sich leben ließ. Was ihm an jenem nicht enden wollenden, glühend heißen Nachmittag gewaltsam eingetrichtert wurde, war die Erkenntnis, dass für dieses Leben eine Gegenleistung zu erbringen war. Seine Majestät konnte mit den persönlichen Empfindlichkeiten, Gedanken oder Wünschen eines Mannes nichts anfangen, und erst recht nicht konnte sie Ungehorsam brauchen, zu dem er sich womöglich anstiften ließ. Um sich dem Willen Seiner Majestät zu beugen, mussten menschliche Reaktionen völlig ausgeschaltet werden. Man war verpflichtet, ein funktionierendes Rädchen im mächtigen Räderwerk des Imperiums zu werden. Wenn man sich verweigerte, würde man eben auf andere Weise unmenschlich werden: ein Sack Fleisch oder ein wandelnder Toter.
Rooke hatte geglaubt, in der Marineinfanterie alles gefunden zu haben, was er brauchte. Doch nun erschien ihm in seinen Träumen immer wieder die Hand jenes Mannes, die sich abwechselnd öffnete und schloss und ihm etwas erzählte, das er lieber nicht erfahren hätte.
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Im Herbst des Jahres 1781 kam die französische Kriegsmarine den Rebellen zu Hilfe und blockierte den Zugang zur Bucht von Chesapeake. Zusammen mit den anderen nahm Rooke seinen Platz im Mitteldeck der Resolution ein. Eine Seeschlacht – sein erster Kampfeinsatz – schien nichts weiter als eine Frage der Entfernung, der Schusslinie und der Feuergeschwindigkeit in Relation zur Richtung zu sein. Die Flotte kreuzte den ganzen Tag, um sich für den Angriff auf die Franzosen in Stellung zu bringen und sich in Kiellinie zu formieren, und schließlich waren sie nahe genug am Feind. Hinter ihren zu Würsten gerollten Hängematten als Splitterschutz standen die Seesoldaten an Deck und warteten auf die Kampfhandlungen.
Die Angst setzte ihnen auf unterschiedliche Weise zu. Rooke führte sie zurück zu seinen alten Freunden, den Primzahlen. Neunundsiebzig, dreiundachtzig, siebenundneunzig, hunderteins. Silk neben ihm überprüfte, ob der Flintstein in seiner Muskete fest saß. Er nahm ihn heraus, drehte ihn andersherum und setzte ihn wieder ein. Betätigte probeweise den Abzug.
»Ach übrigens, Buckley, der im März unter dem Kommando von Admiral Arbuthnot auf der Intrepid diente, hat mir erzählt, dass die Victoire es geschafft hat, eine rotglühende Kugel in die Kapitänskajüte der Intrepid zu schießen! Die ist dann herumgerollt und hat alles verbrannt, bis ein beherzter Kapitänleutnant – Woodford, kennst du ihn? – sie mit seinem Sprachrohr eingefangen und über Bord geworfen hat!«
Silk nahm den Flintstein wieder heraus, pustete darauf, drehte ihn um und setzte ihn ein weiteres Mal ein. Er redete so schnell, dass sich in seinem Mundwinkel Schaum bildete. Rooke nickte, damit
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