Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
dass er den guten alten Hund erschossen hatte? Das Tier war zwar bissig, aber eine echte Persönlichkeit und ein fester Bestandteil dieses Hauses.
Sie runzelte die Stirn und ging weiter zu Bobs Hühnerstall. Auch hier eine Nachricht auf einem zerfetzten Bierkarton. Die Mädels sind alle bei Donna. Emily warf einen Blick in das dunkle Innere des leeren Hühnerhauses. Dann ging sie zu der Koppel, auf der Bob seine Stute hielt. Normalerweise warf Emily ihr einen Eimer voll Heu zu, wenn ihr Onkel nicht da war, weil er das Tier auf einer engen Weide voller Unkraut grasen ließ und sich oft die Rippen unter dem matten Fell abzeichneten. Auch in dem am Zaun hängenden Futtereimer lag ein Karton. Die Stute habe ich Kate überlassen.
Was war da los? Emily lief zu Bobs Wohnhaus, und ein Bewegungsmelder schaltete das Licht ein. Sie sah, dass der Rasen hinter dem Haus frisch gemäht und der Unrat auf der Veranda weggeräumt war. Die Vorhänge waren zugezogen. Das Haus wirkte menschenleer, aber überraschenderweise sah es sauber und aufgeräumt aus.
Emily sprang wieder auf ihr Quad, wartete ab, bis Muscles sich auf ihrem Schoß niedergelassen hatte, und raste zurück nach Tranquility. Gerade als sie ins Haus stürmen wollte, sah sie ein Paar Scheinwerfer. Sams getunter Pick-up hielt an, und er und Bridie purzelten lachend aus der Fahrerkabine.
»Hey, Viehtreiberin!« Bridie sah in ihrem roten Top und den flippigen schwarzen Jeans einfach umwerfend aus. Sam, ganz in Johnny-Cash-Schwarz gekleidet, schloss Emily kurz in die Arme.
»Du hast dich richtig rausgeputzt, wie ich sehe«, neckte er sie nach einem prüfenden Blick auf Emilys alte Farmklamotten.
»Was fangen wir nur mit ihr an?« Bridie schüttelte tadelnd die blonde Mähne, die sie Jane-Mansfield-mäßig mit einem breiten roten Band hochgebunden hatte.
»Was gefällt euch nicht an dem hier?«, beschwerte sich Emily und sah an ihrem unförmigen schwarzen Wollpullover herab.
»Wir werden dir was richtig Schickes zum Anziehen raussuchen. So erscheinst du jedenfalls nicht zu unserem Galadinner.«
»Zu zweit seid ihr wirklich unausstehlich«, beschwerte sich Emily, und dann polterten sie durch den großen Flur ins Herz des Hauses.
Als sich schließlich alle um den Esstisch versammelt hatten, konnte Emily, die inzwischen ein hübsches kariertes Cowgirl-Hemd trug, die Neuigkeiten nicht länger für sich behalten. »Ich glaube, Onkel Bob steckt in Schwierigkeiten. Ich mache mir echt Sorgen um ihn«, platzte es aus ihr heraus.
Alle drehten sich zu ihr um.
»Wir machen uns doch schon seit Jahren Sorgen um Bog«, bemerkte Flo trocken.
»Aber diesmal ist es anders. Alle seine Tiere sind verschwunden, außerdem hat er merkwürdige Botschaften hinterlassen, und das ganze Anwesen ist aufgeräumt . Ich meine, richtig aufgeräumt.« Emily rang die Hände im Schoß. »Ihr glaubt doch nicht, dass er sich etwas angetan hat?«
»Nein, natürlich nicht«, beschwichtigte Evie. »Bob hat bei mir spirituelle Heilung gesucht.«
»Wahnsinn!« Flo fiel wieder ein, dass sie gesehen hatte, wie er aus Evies Haus gekommen war. »Bestimmt hat Onkel Bog nur ›spirituell‹ gehört und geglaubt, er würde bei dir was zu trinken bekommen. Evie, wie hast du es angestellt, dass dieser Mann zu dir kommt?«
»Ich habe gar nichts getan. Er kam von sich aus, nachdem das Weideverbot erlassen wurde.«
»Ach was. Und warum?«, wollte Sam wissen.
»Das kann ich euch nicht sagen«, erklärte sie. »Aber ich kann euch versichern, dass ihm nichts passiert ist. Er wird keine Dummheiten anstellen … also, das kann ich nicht garantieren, aber ihr wisst schon, was ich meine. Er wird sich nichts antun.«
»Puh!«, atmete Emily auf.
»Dann trinken wir auf Onkel Bog, wo zum Henker er auch stecken mag«, verkündete Flo, die der Portwein vor dem Essen schon ziemlich in Fahrt gebracht hatte. Alle erhoben ihre Gläser.
»Auf Bob!«, prosteten sie sich zu. »Wo zum Henker er auch stecken mag!«
Emily schaute zu, wie ihre Familie im flackernden Kerzenlicht und dem Schein des Kaminfeuers aß. Alle waren dermaßen mit Evies Roastbeef mit Gemüse beschäftigt, dass sich die Konversation eine Weile auf »Mmms« und »Ohs« und »Noch mal, bitte« beschränkte.
Als sie schließlich fertig gegessen hatten, sah Evie sie der Reihe nach an. »Und jetzt?«, fragte sie.
»Nachtisch?«, schlug Tilly hoffnungsvoll vor.
»Den gibt’s auch, Schätzchen, aber erst möchte ich etwas von euch allen hören. Was wollt ihr
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