Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
lenkte Emily den Wallach durchs Gatter auf die Straße, ließ das Tor zuschwingen und schloss damit eine Ära ab.
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Als Emily am Esszimmer der Flanaghans vorbeikam, warf sie einen Blick durchs Fenster ihres Farmhauses und musste lächeln. Tilly und Meg halfen mit leuchtenden Gesichtern Evie dabei, die Speisen für das Festmahl auf dem alten Tisch aus Eukalyptusholz aufzutragen. Er war mit feinem alten Porzellan und Silberbesteck gedeckt, und in der Mitte stand ein Kandelaber mit flackernden weißen Kerzen. Den Kerzenständer hatte Emilys Großvater mit einem Hereford-Bullen bei der Bairnsdale Show im Jahr 1955 gewonnen. Der Schein der Kerzen legte ein engelsgleiches Leuchten auf die Gesichter der Mädchen.
Am alten Sideboard schenkte Rod Portwein in zerbrechliche Kristallgläser, ebenfalls Trophäen, die jemand bei einer längst vergessenen Tierschau auf einer längst vergessenen Landwirtschaftsschau gewonnen hatte. Manche dieser alten Gegenstände hatte Emily seit Jahren nicht mehr gesehen, weil sie im Schrank über die Jahre hinweg immer weiter nach hinten gewandert waren, aber Evie hatte bestimmt, dass der heutige Abend etwas Besonderes werden sollte.
Also hatten sie die alten Sachen abgestaubt und poliert und konnten sie jetzt benutzen und genießen. Selbst das große alte Speisezimmer, das gewöhnlich abgeschlossen war und als Lagerraum zweckentfremdet wurde, war ausgefegt worden und erstrahlte jetzt in alter Pracht. Das Feuer loderte im offenen Kamin und beleuchtete das darüber angebrachte große, wunderschöne Gemälde einer Hirtenhütte, und in der Vase auf dem Sideboard standen frische Blumen. Evie hatte das Haus wieder zum Leben erweckt.
Emily merkte, dass sie hungrig wurde, und konnte es kaum erwarten, alle Arbeiten erledigt zu haben, damit sie zu den anderen ins Haus konnte. Mit langen Schritten eilte sie in den Futterschuppen, wo sie Hundetrockenfutter in einen Eimer schaufelte, um es den Kelpies zu bringen, die aufgeregt in ihren Gehegen tanzten. Flos Katze Muscles schlängelte sich zwischen ihren Beinen durch und miaute sie flehend an. Über ihr standen die Sterne klar und hell am kühlen Nachthimmel. Der Viehtrieb hatte sie müde gemacht, aber gleichzeitig war sie überglücklich, dass ihr Körper die Anstrengung unbeschadet überstanden hatte. Im Gegensatz zu ihrem Geist. Die Begegnung mit Luke hatte Spuren hinterlassen.
In der fast vollkommenen Dunkelheit kippte sie Hundekuchen in die Futterschüsseln und sprach dabei jedem einzelnen Tier gut zu, doch Rousie lobte sie wie immer ganz besonders. Danach ging sie in den Geräteschuppen weiter, schwang ein Bein über ihr Quad und ließ es heulend an. Muscles sprang für eine Miezen-Spritztour auf ihren Schoß. Emily lenkte das röhrende Geschoss auf die Straße und fuhr die zwei Kilometer zu Bobs Haus hinunter.
Drinnen brannte kein Licht. Flo hatte erzählt, dass ihr Bruder wieder abgetaucht sei und dass niemand wisse, wo er steckte. Wenn Bob verschwand, übernahmen sie es regelmäßig, nach seinen Tieren zu sehen. Er hatte seine Pferde schon tagelang ohne Wasser und Futter im Pferch stehen lassen, bis die Tiere die obersten Stangen zu splittrigen Zahnstochern abgekaut hatten. Einmal hatte er seinen Hund DD im Sommer so lange an der Kette liegen lassen, dass das arme Tier um ein Haar jämmerlich verdurstet wäre. Emily fuhr ausgesprochen ungern zu Bobs Haus. Dort tummelten sich Spinnen und Schlangen, außerdem erinnerte es sie jedes Mal an ihre verstorbenen Großeltern, die den Garten als wahres Kinderparadies gestaltet hatten.
Sie erinnerte sich an einen Teich mit Goldfischen, die gemächlich im kristallklaren Wasser schwammen, und an Trittsteine, die zu einem weichen, von Farnen überwachsenen Feengarten führten. Damals hatte es hier Blumen und Windspiele und überall versteckte Winkel gegeben, in denen man sich niederlassen konnte. Seit Bob hier lebte, ließ er seine verwilderten Mischlingshunde im Garten herumlaufen, der inzwischen praktisch nicht mehr zu erkennen war. Das Anwesen strahlte etwas Deprimierendes aus.
Heute Abend stutzte sie, als sie auf das Haus zuging. DD zappelte nicht wild kläffend an seiner Kette. Emily schwenkte die Scheinwerfer über den leeren Zwinger. An dem leeren Pfahl, an den der Hund normalerweise gekettet war, hing ein halber Bierkarton. Darauf hatte Bob in seiner krakeligen Handschrift mit Textmarker hinterlassen: Danke, aber DD ist in Ferien.
Emily holte tief Luft. Damit meinte er doch hoffentlich nicht,
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