Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
jetzt mit eurem Leben anfangen? Rod, willst du nicht den Anfang machen?«
Er setzte sein Glas ab und räusperte sich. Dann verschränkte er die Finger auf der Tischplatte und überlegte.
»Erst werden wir die Rinder aussortieren. Das beste Drittel behalten wir, die Übrigen werden verkauft. Danach … weiß ich noch nicht. Ich dachte, ich könnte Zäune reparieren und Gebüsche ausholzen. Hier gibt es jede Menge Wochenendhäuser, die einen guten Verwalter gebrauchen könnten, und die Melbourniten, denen sie gehören, haben bestimmt genug Geld in der Tasche. Damit können wir uns finanziell über Wasser halten, bis wir etwas anderes gefunden haben. Vielleicht wirft das mehr ab, als man denkt.«
Emily hörte ihrem Vater an, dass er sich sein neues Leben schönzureden versuchte. Es versetzte ihr einen leisen Stich, gleichzeitig war sie stolz auf ihn, weil er so tapfer Neuland zu erschließen versuchte, nachdem er sein ganzes Leben als Cattleman gearbeitet hatte.
»Flo?«, fragte Evie.
»Hmm, also …«, setzte sie an. »Baz hat mir ein Angebot gemacht.«
»Nicht schon wieder!«, bemerkte Sam frech.
»Nicht so ein Angebot. Na schön, solche Angebote macht Baz mir ständig. Aber er will auf Viehtransporte umsteigen und möchte, dass ich auf dieser Seite der Berge einen seiner Transporter fahre.«
»Flo wird Truckerin!«, rief Bridie begeistert aus. »Darf ich dich stylen? Als Truckerin musst du einfach super aussehen. Dann beißen mehr Kunden an. Ich denke da an durchsichtige Tops, hautenge Jeans, sexy Stiefel. Aber trotzdem mit Klasse … ungefähr so wie Nicole Kidman in Australia . O Flo, dein Geschäft wird florieren!«
»Pass auf! Am Ende haben wir lauter tierlose Farmen rundum, weil alle wie verrückt ihr Vieh verkaufen, immer in der Hoffnung, dass sie mal mit dir in die Kabine dürfen«, neckte Emily sie.
»Das klingt ja wunderbar!«, fand Evie. »Und du, Sam?«
»Also«, begann er mit leuchtenden Augen und nahm dabei Bridies Hand, »ich werde auch gleich für Bridie antworten müssen, weil …« Die beiden sahen sich glücklich an, »wir nach Norden ziehen wollen, an die Küste von New South Wales ins Zentrum der Country-Musik! Sie hat mir geholfen, genügend Songs für ein neues Album zu schreiben, das wir dort aufnehmen wollen. Wir haben schon ein Haus und ein Studio über den Winter angemietet. Sobald ich die ersten Demos habe, sehe ich mich nach einem wirklich guten Vertrag um. Wir haben ein paar ziemlich scharfe Sachen geschrieben.«
»Dass ihr beim Schreiben ziemlich scharf wart, kann ich mir vorstellen«, warf Emily ein, und Sam trat ihr unter dem Tisch gegen das Schienbein. Das Bein schmerzte nicht so sehr, als dass es ihre Freude über diese gute Nachricht getrübt hätte. Aber als sich alle Blicke auf sie richteten, spürte sie den Druck.
»Du bist dran, Emily«, sagte Evie.
»I-ich«, stotterte sie, »ich weiß es wirklich nicht.«
»Komm schon, Emily«, sagte ihr Bruder.
»Also, ehrlich gesagt spiele ich mit dem Gedanken, den Winter auf der Hochebene zu verbringen. Ganz allein mit meinen Mädchen.«
»Wow!«, rief Meg aus. »Dann wohnen wir mitten im Schnee!«
»Ich will aber nicht im Schnee wohnen.« Tilly verschränkte schmollend die Arme.
»Wir werden auch nicht im Schnee wohnen. Sondern in unserem Haus im Schnee«, erklärte Emily, aber ihre ältere Tochter blieb verstockt.
»Das macht bestimmt Spaß«, meinte sie verunsichert. »Du wirst schon sehen.«
Rod sah sie besorgt an. »Bist du sicher? Das könnte härter werden, als du glaubst.«
»Ich weiß, aber Evie wohnt nicht weit weg. Wir können auf Skiern zu ihr runterfahren oder zu ihr reiten. Wahrscheinlich sind wir maximal drei Wochen eingeschneit. Außerdem haben dort schon früher Flanaghans überwintert.«
»Bist du sicher, dass du den Mädchen diese Einsamkeit zumuten willst?«
»Ja, ich bin sicher. Ich brauche diese Einsamkeit. Ich bin anders als ihr. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich in Zukunft machen soll. Ich war mit Leib und Seele Cattleman. Jetzt brauche ich Zeit, um herauszufinden, was ich eigentlich mit meinem Leben anfangen will.«
Alle dachten über Emilys Antwort nach. Sie wussten, dass ihre emotionalen Verletzungen noch nicht verheilt waren. Dass ihre Ehe zerbrochen war, Clancy sich eine neue Familie gesucht hatte und sich ihre Träume in Luft aufgelöst hatten, setzte ihr noch zu. Allerdings wussten nur Evie und Bridie, wie sehr ihr auch die Sache mit Luke zusetzte und welche Rolle er bei
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