Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
fluoreszierenden Overalls der Rettungskräfte ausmachen, die neben ihm kauerten. Die rußgeschwärzte Welt vor dem Bunker sah aus, als hätte eine Atombombe eingeschlagen. Ein Baum krachte zu Boden, und noch einmal stoben Glutstückchen in der verkohlten Landschaft auf. Die Schmerzen waren nicht zu ertragen. Luke schloss die Augen.
»Jetzt komm, wir müssen dich hier rausbringen. Hier ist es für uns alle gefährlich.«
»Aber Emily? Emily?«, schrie er, bis seine Stimme wieder zu einem Krächzen erstarb. »Die Herde!«
»Was für eine Herde?«, der Rettungshelfer versuchte, aus seinem Gerede schlau zu werden.
Als die Männer per Funk durchgaben, dass ihre dreitägige Suche zu Ende war – der Ranger war gefunden worden und brauchte medizinische Hilfe –, explodierte Luke. Offenbar waren sie aus einer anderen Region hergeflogen worden und hatten keine Ahnung, dass sich Emily ebenfalls in diesem Gebiet aufhielt oder dass sie auch nur vermisst wurde. Wie konnten die Rettungsmaßnahmen nur so schlecht koordiniert sein, fragte er sich. Man hatte ihnen Anweisung gegeben, den Regierungsangestellten zu finden, und ihnen nichts von der vermissten Rinderzüchterin erzählt.
»Aber Emily. Die Rinder«, setzte er noch einmal an. Jedes Wort schmerzte, aber sein Zorn ließ ihn beharrlich bleiben.
»Hier sind keine Rinder mehr, Kumpel. Die Gegend ist jetzt ein Nationalpark. Hier dürfen keine Rinder mehr weiden. Offenbar war das hier früher der Feuerbunker und die Mine eines Cattleman. Wie zum Teufel hast du die gefunden? Dich haben wir nur gefunden, weil dein Wagen oben auf dem Berg als schwarzes Gerippe steht und weil jetzt, wo alles abgebrannt ist, der Weg und der Belüftungsschacht kaum zu übersehen sind.«
Luke setzte sich auf und hätte am liebsten losgebrüllt, aber aus seinem Hals kam kein Laut mehr. Um ihn herum schien sich alles zu drehen.
»Entspann dich, Kumpel. Du stehst unter Schock. Versuch, ruhig zu bleiben. Gleich kommen die Sanitäter und bringen dir was Gutes.«
Der Katastrophenhelfer wollte Luke keinesfalls berichten, dass die vermisste Rinderzüchterin immer noch nicht gefunden worden war. Er wollte ihm nicht erzählen, dass das Feuer, das inzwischen viertausend Quadratkilometer Buschland vernichtet hatte, immer noch so heiß brannte, dass niemand sagen konnte, ob die feine weiße Asche, die der Wind übers Land trieb, von Kühen, Pferden oder Menschen stammte. Wie Staub von Engelsflügeln wehte das weiße Pulver über die endlosen verkohlten Berggebiete.
Während des Hubschrauberfluges in die Stadt presste Luke die Fingerspitzen auf die kühlenden Wattepads, mit denen seine Augen abgedeckt waren. Sie schmerzten, weil er versucht hatte, Tränen zu vergießen, die er nicht mehr hatte. Sie flogen über das schwarze Antlitz des Berges, doch er sah das große VPP -Schild nicht, das versengt und verbeult an seinem Pfosten baumelte. Er sah auch die verbrannten, von den Wurzeln bis zu den Wipfeln verkohlten Bäume nicht, die wie abgebrannte Streichhölzer am Hang standen. Auf der dem Wind zugewandten Seite der Stämme und in den Aushöhlungen der Baumstümpfe flackerten immer noch hier und da kleine Flammen auf. Doch Luke sah nichts davon. Er sah nicht, dass das Feuer wenige Meter vor dem Farmhaus der Flanaghans zum Erliegen gekommen war, so als hätte Gott inmitten all der Verwüstung seine schützende Hand darübergehalten. Er sah auch nicht den Aschehaufen, der einst das alte Hotel gewesen war, in dem Evie ihre grüne Oase errichtet hatte. Auch sie war verschwunden. Zu Asche zerstoben? Das wusste niemand. Der einzige Farbtupfer im Garten war jetzt das gestreifte Absperrband des Gerichtsmediziners.
Stattdessen sah Luke vor seinem inneren Auge das tapferste und schönste Mädchen, das ihm je begegnet war. Ein Mädchen auf einem nebelgrauen Pferd, das zwischen dicht stehenden Eukalyptusbäumen wartete. Das Land hatte sich in ihre Handflächen und Fingerspitzen eingegraben, und, wie er inzwischen wusste, unauslöschlich in ihr Herz eingenistet.
Als der Helikopter in einer Staub- und Aschewolke auf dem Landeplatz in Dargo aufsetzte, hörte Luke, wie die Sanitäter angesichts der wartenden Reporter aufstöhnten.
»Alle wollen über den Ranger berichten, der losgezogen ist, um die Tochter des Cattleman zu retten. Tut mir leid, Kumpel«, sagte der Pilot.
Durch die geschwollenen Lider konnte Luke das Gedränge von Journalisten ausmachen und daneben eine düstere Gruppe von Menschen, die schweigend
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