Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
konnten, ihre Augen brannten und tränten.
Vor ihnen hasteten und rutschten die Kühe den Weg hinunter und brachen durchs Dickicht. Der Schaum vor ihren Mäulern tropfte auf den ausgetrockneten Boden. Der Tag war inzwischen dunkel wie die tiefste Nacht, und Emily musste sich allein auf die Intuition der Tiere verlassen, den richtigen Weg ins Tal zu finden.
Endlich begann die Vegetation sich zu verändern. Um sie herum wurde der Boden feuchter und das Laub grüner. Der Abhang war hier weniger steil, und bald darauf bahnten sie sich ihren Weg durch dicht stehende Teebäume. Hier fühlte sich die Welt ein wenig kühler und die Luft deutlich sauberer an. Sie zogen die Köpfe ein, um sich unter dem dicht verwobenen Geäst wegzuducken.
Erleichtert gelangten sie auf eine Lichtung. Emily zügelte das Pferd und sah zu, wie die Kühe und Kälber durch den flachen Fluss spritzten. Durstig und gierig begannen die Tiere schließlich zu trinken. Rousie lag hechelnd im Flachen und schlabberte eifrig Wasser. Emily schwang ihr Bein nach vorn über den Hals des Pferdes, glitt zu Boden und ließ Snowgum trinken. Luke sah sie lange und ernst an.
»Danke«, sagte er.
»Oh, wir haben es noch nicht überstanden«, sagte sie. »Hier im flachen Wasser könnten wir immer noch bei lebendigem Leib gekocht werden. Wir müssen die Herde weiter flussaufwärts bringen. Da oben gibt es eine große Insel. Wir werden die Rinder durchs tiefe Wasser treiben müssen. Falls Rousie sie dabei zusammenhalten kann, könnten sie es schaffen, selbst wenn sich das Feuer über den Fluss hinweg ausbreiten sollte.«
»Und wir?«, fragte er. »Sollen wir auch durch den Fluss schwimmen?«
Emily schüttelte den Kopf. »Ich habe eine bessere Idee. Jetzt komm, wir dürfen keine Zeit verlieren. Du musst zu Fuß flussaufwärts gehen. Ich brauche mein Pferd.«
Schon ritt sie los, spritzte durch den flachen, schnellen Fluss und ließ die Peitsche über ihrem Kopf knallen.
»Los, Mädchen!«, rief sie, und wenig später trabten Kühe und Kälber flussaufwärts. Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Hier, über dem feuchten Wasserlauf, war die Luft leichter zu atmen, dafür war es hier unten im Taleinschnitt stockdunkel, die Angst trieb sie weiter.
Im Geist fühlte sich Emily in jene Nacht im Wonnangatta zurückversetzt und spürte wieder die nackte Angst, die sie und Luke gepackt hatte, als die Geisterpferde vorbeigaloppiert waren. Jetzt begriff sie, dass es eine Warnung gewesen war. Ein kurzer Ausblick auf das, was sie erwartete.
Sie trieb die Rinder weiter an, und eine Kuh nach der anderen wagte sich in den großen, tiefen Tümpel. Rousie schwamm ebenfalls los und versuchte, die Nachzügler kläffend anzutreiben, so gut er konnte. Schließlich hatten die letzte Kuh und das letzte Kalb die Insel erreicht, die der Fluss in seinem Herzen trug. Eine riesige alte Weide hatte dort vor vielen Jahren Wurzeln geschlagen und bot inzwischen ein schützendes grünes Dach, aber die Kühe drängten sich trotzdem verzweifelt muhend unter der beängstigend schwarzen Sonne. Die Hitze war allgegenwärtig.
Emily und Luke drehten sich zu dem ohrenbetäubenden Donnern auf dem Berggipfel um, in das sich immer wieder ein lautes Knallen mischte, wenn ein weiterer Baumstamm dem Inferno zum Opfer fiel, das dort oben tobte. Wie gelähmt standen sie da und schauten zu, wie überall um sie herum neue Brandherde aufflammten und der Luft immer mehr Sauerstoff entzogen wurde. Die Stute warf den Kopf herum und scharrte unruhig mit den Hufen in den Flusskieseln, während das Feuer um sie herum Wallabies, Opossums, Eidechsen, Schlangen und andere Wildtiere zum Ufer trieb. Ein Wallaby überwand aus Angst vor dem Feuer sogar seine Angst vor den Menschen und floh direkt unter Snowgums Bauch, wo er panisch schnaufend innehielt und sich mit angstgeweiteten sanften braunen Augen umsah. Bonus hatte zu viel Angst, um sich noch zu entfernen, und hielt sich dicht bei der Stute.
»Los, komm!«, rief Emily Luke zu, während sie Snowgums Zügel und Bonus’ Führungsleine an der Weide festmachte. Sie löste den Tornister vom Packsattel und ließ ihn mit einem dumpfen Schlag auf den Boden fallen. »Mach dich nass«, befahl sie Luke.
Sie führte ihn ins flache Wasser, und er merkte, wie seine Hände zitterten, sobald sie ihn berührte. Der Qualm war so dicht, dass er praktisch blind war.
»Danach gehen wir in einen Feuerbunker, okay?«
»Ja«, krächzte Luke, auch wenn er kaum glauben konnte, dass es an
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