Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen

Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen

Titel: Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
Vom Netzwerk:
Tag ihres Lebens unter ihre Fittiche genommen und dafür gesorgt, dass er trotzdem mit sich im Reinen war.
    Wieder einmal sah Sam die mit Schneegras bewachsenen Hochebenen vor sich, auf denen vier Monate im Jahr das Vieh weidete. Bezaubernd bei schönem Wetter; beängstigend im Sturm. Aber zu jeder Zeit strahlte dieser Landstrich etwas Majestätisches aus, das selbst er in seinen Adern spürte. Auch wenn er manchmal fliehen musste, wenn er von Zeit zu Zeit bunte Lichter und Action brauchte, war es trotzdem tröstlich zu wissen, dass er jederzeit in seine Berge zurückkehren konnte.
    Der Rest der Familie betrachtete es als seine Pflicht, sich um die Weideflächen auf dem Hochland zu kümmern, die ihnen gleichzeitig als Versicherung gegen die Trockenheit dienten. Selbst in trockenen Jahren strotzten die Kühe, nachdem sie sich auf den Tieflandweiden rund um ihre Farm bei Dargo mühsam durch den Winter gekämpft hatten, schon bald wieder vor Gesundheit, sobald sie auf den staatseigenen Hochlandweiden grasten. Die Schneeschmelze und die fetten Böden, die sieben Monate Zeit gehabt hatten, sich zu erholen, brachten Pferde und Rinder regelmäßig wieder auf die Beine.
    Aber ohne Zugang zu den Weideflächen auf dem Hochland konnten die zweieinhalbtausend Hektar im Tiefland, die zwischen Sams Vater und seinen Geschwistern Bob und Flo gedrittelt worden waren, sie unmöglich alle ernähren. Warum rackerten sie sich eigentlich immer noch Jahr um Jahr für ein mageres Einkommen ab, das manchmal sogar komplett ausfiel, wo sie sich das Leben doch so viel einfacher machen könnten? So wie Sam es sah, konnte sich der ewige Kampf unmöglich lohnen. Die ganze Rinderzucht hing an den Ländereien oben auf den Dargo High Plains, und Sam wusste nur zu gut, dass die Regierung ihnen die über Nacht wegnehmen konnte. Seit Generationen lebte seine Familie nun schon mit dieser Schlinge um den Hals – seit die Umweltschützer aus der Stadt in den Busch spaziert waren und sich darüber beschwert hatten, wie sehr das weidende Vieh dem Hochland schadete. Seit in der westlichen Welt zudem noch eine Riesenkampagne lief, dass alle Fleischesser Mörder seien, wollte doch wirklich niemand mehr mit einem Damoklesschwert über dem Kopf leben, wenn er stattdessen locker und anonym in der Stadt sein eigenes Ding durchziehen konnte.
    Bei dem Gedanken, dass seine tolle, lustige Schwester verunglückt war, fühlte sich Sam plötzlich völlig verloren. Irgendwo am anderen Ende der Welt kämpfte Emily um ihr Leben, wenn sie überhaupt noch lebte, während er sich hier aufführte wie der letzte Loser: Als müsste er sich mit Alkohol, Drogen und wilden Weibern von Bedürfnissen ablenken, die er anscheinend nicht stillen konnte.
    Sam sah sich in seiner Nashville-Absteige um und merkte plötzlich, wie sehr ihm sein Zuhause fehlte – nicht die Wohnung in Sydney, sondern sein wahres Zuhause in den Bergen. Natürlich hatte er es geliebt, mit seiner Crew durch Australien zu touren. Den Tourbus mit dem Kühlschrank, der immer mit Bier vollgepackt war. Die Gelage in den Pubs. Die australischen Landmädel mit ihren strahlenden Augen, die immer ein Bier und einen gut aussehenden Jungen vertragen konnten. Doch plötzlich wollte er nichts lieber, als im Pub von Dargo zu jammen. Wieder ein normales Leben führen. Eine grässliche, bohrende Angst um Emily nagte in seiner Magengrube. Er musste nach Hause. Denn wenn er hierblieb und so weitermachte wie bisher, würde er sich irgendwann in die Kacke reiten, das war Sam klar. Und zwar richtig tief. Heath-Ledger-tief.

3
    Inmitten der Staubwolke, die von den wirbelnden Rotorblättern aufgewirbelt wurde, stand Clancy auf dem provisorischen Helikopterlandeplatz, der wie eine Mönchstonsur aus der buschigen Kammlinie des Mount Ewan rasiert worden war. Nicht ganz standsicher nach den vielen Bieren seit dem Frühstück sah er zum Himmel auf und schob sich den Hut in den Nacken, während sich der Hubschrauber über die Bäume erhob und in einem weiten Bogen in Richtung Melbourne abdrehte. Kev hatte ihn nicht mit Emily fliegen lassen und stand jetzt vor ihm, um ihn mit wachsweichem Medizinergewäsch zu beruhigen. Clancy hatte gute Lust, ihm eine zu klatschen.
    »Erstens bist du betrunken, und es ist verboten, Passagiere in diesem Zustand an Bord zu nehmen«, zählte Kev die Gründe an den Fingern ab. »Und zweitens brauchen sie da drin so viel Platz wie möglich, um sie zu behandeln. Sie ist in übler Verfassung, das weißt du selbst.

Weitere Kostenlose Bücher