Auswahl seiner Schriften
Bestreben. Mit der fertigen Symphonie machte ich mich im Sommer 1832 auf zu einer Reise nach Wien, aus keinem andern Zwecke, als um diese sonst so gepriesene Musikstadt flüchtig kennen zu lernen. Was ich dort hörte und sah, hat mich wenig erbaut; wohin ich kam, hörte ich »Zampa« und Strauß'sche Potpourris über »Zampa«. Beides – und besonders damals – für mich ein Gräuel. Auf meiner Rückreise verweilte ich einige Zeit in Prag, wo ich die Bekanntschaft Dionys Weber's und Tomaschek's machte; Ersterer ließ im Konservatorium mehrere meiner Kompositionen, unter diesen meine Symphonie, spielen. Auch dichtete ich dort einen Operntext tragischen Inhaltes: »Die Hochzeit«. Ich weiß nicht mehr, woher mir der mittelalterliche Stoff gekommen war; ein wahnsinnig Liebender ersteigt das Fenster zum Schlafgemach der Braut seines Freundes, worin diese der Ankunft des Bräutigams harrt; die Braut ringt mit dem Rasenden und stürzt ihn in den Hof hinab, wo er zerschmettert seinen Geist aufgiebt. Bei der Totenfeier sinkt die Braut mit einem Schrei entseelt über die Leiche hin. Nach Leipzig zurückgekommen, komponirte ich sogleich die erste Nummer dieser Oper, welche ein großes Sextett enthielt, worüber Weinlig sehr erfreut war. Meiner Schwester gefiel das Buch nicht; ich vernichtete es spurlos. – Im Januar 1833 wurde meine Symphonie im Gewandhauskonzerte aufgeführt, und erhielt viel aufmunternden Beifall. Damals wurde ich mit Laube bekannt.
Um einen Bruder zu besuchen, reiste ich nach Würzburg und blieb das ganze Jahr 1833 dort; mein Bruder war mir als erfahrener Sänger von Wichtigkeit. Ich komponirte in diesem Jahre eine dreiaktige romantische Oper: »Die Feen«, zu der ich mir den Text nach Gozzi's: »Die Frau als Schlange« selbst gemacht hatte. Beethoven und Weber waren meine Vorbilder: in den Ensembles war Vieles gelungen, besonders versprach das Finale des zweiten Aktes große Wirkung. In Konzerten gefiel, was ich aus dieser Oper in Würzburg zu hören gab. Mit meinen besten Hoffnungen auf meine fertige Arbeit, ging ich im Anfang des Jahres 1834 nach Leipzig zurück und bot sie dem Direktor des dortigen Theaters zur Aufführung an. Trotz seiner anfänglich erklärten Bereitwilligkeit, meinem Wunsche zu willfahren, mußte ich jedoch sehr bald dieselbe Erfahrung machen, die heut' zu Tage jeder deutsche Opernkomponist zu gewinnen hat: wir sind durch die Erfolge der Franzosen und Italiener auf unserer heimathlichen Bühne außer Kredit gesetzt, und die Aufführung unserer Opern ist eine zu erbettelnde Gunst. Die Aufführung meiner »Feen« ward auf die lange Bank geschoben. Während dem hörte ich die Devrient in Bellini's Romeo und Julie singen: – ich war erstaunt, in einer so durchaus unbedeutenden Musik eine so außerordentliche Leistung ausgeführt zu sehen. Ich gerieth in Zweifel über die Wahl der Mittel, die zu großen Erfolgen führen können: weit entfernt war ich, Bellini ein großes Verdienst zuzuerkennen; nichtsdestoweniger schien mir aber der Stoff, aus dem seine Musik gemacht war, glücklicher und geeigneter, warmes Leben zu verbreiten, als die ängstlich besorgte Gewissenhaftigkeit, mit der wir Deutsche meist nur eine erquälte Schein-Wahrheit zu Stande brachten. Die schlaffe Charakterlosigkeit unserer heutigen Italiener sowie der frivole Leichtsinn der neuesten Franzosen schienen mir den ernsten, gewissenhaften Deutschen aufzufordern, sich der glücklicher gewählten und ausgebildeten Mittel seiner Nebenbuhler zu bemächtigen, um es ihnen dann in Hervorbringung wahrer Kunstwerke entschieden zuvor zu thun.
Damals war ich einundzwanzig Jahre alt, zu Lebensgenuß und freudiger Weltanschauung aufgelegt; »Ardinghello« und »das junge Europa« spukten mir durch alle Glieder: Deutschland schien mir nur ein sehr kleiner Theil der Welt. Aus dem abstrakten Mystizismus war ich herausgekommen, und ich lernte die Materie lieben. Schönheit des Stoffes, Witz und Geist waren mir herrliche Dinge: was meine Musik betraf, fand ich beides bei den Italienern und Franzosen. Ich gab mein Vorbild, Beethoven, auf; seine letzte Symphonie erschien mir als der Schlußstein einer großen Kunstepoche, über welchen hinaus Keiner zu dringen vermöge und innerhalb dessen Keiner zur Selbstständigkeit gelangen könne. Das schien mir auch Mendelssohn gefühlt zu haben, als er mit seinen kleinen Orchester-Kompositionen hervortrat, die große abgeschlossene Form der Beethoven'schen Symphonie unberührt lassend; es schien
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