Auswahl seiner Schriften
in dieser Zeit von mir komponirt worden. Auch machte ich den Text zu einer zweiaktigen komischen Oper: »Die glückliche Bärenfamilie«, wozu ich den Stoff aus einer Erzählung der tausend und einen Nacht entnahm. Schon hatte ich zwei Nummern daraus komponirt, als ich mit Ekel inne ward, daß ich wieder auf dem Wege sei, Musik à la Adam zu machen; mein Gemüth, mein tieferes Gefühl fanden sich trostlos verletzt bei dieser Entdeckung. Mit Abscheu ließ ich die Arbeit liegen. Das tägliche Einstudiren und Dirigiren Auber'scher, Adam'scher und Bellini'scher Musik that denn endlich auch das Seinige, das leichtsinnige Gefallen daran mir bald gründlich zu verleiden. Die gänzliche Unmündigkeit des Theaterpublikums unserer Provinzstädte in Bezug auf ein zu fällendes erstes Urtheil über eine neue, ihm vorkommende Kunsterscheinung, – da es eben nur gewöhnt ist, bereits auswärts beurtheilte und accreditirte Werke sich vorgeführt zu sehen, – brachte mich zu dem Entschluß, um keinen Preis an kleineren Theatern eine größere Arbeit zur ersten Aufführung zu bringen. Als ich daher von Neuem das Bedürfniß fühlte, eine größere Arbeit zu unternehmen, verzichtete ich gänzlich auf eine schnell und in der Nähe zu bewirkende Aufführung derselben: ich nahm irgend ein bedeutendes Theater an, das sie einst aufführen sollte, und kümmerte mich nun wenig darum, wo und wann sich das Theater finden werde. So verfaßte ich den Entwurf zu einer großen tragischen Oper in fünf Akten: »Rienzi, der letzte der Tribunen«; ich legte ihn von vornherein so bedeutend an, daß es unmöglich ward, diese Oper – wenigstens zum ersten Male – auf einem kleinen Theater zur Aufführung zu bringen. Außerdem ließ es auch der gewaltige Stoff gar nicht anders zu, und es herrschte bei meinem Verfahren weniger die Absicht, als die Nothwendigkeit vor. Im Sommer 1838 führte ich das Süjet aus. In dieser Zeit studirte ich mit großer Liebe und Begeisterung unserm Opern-Personale Mehül's »Jakob und seine Söhne« ein. – Als ich im Herbst die Komposition meines »Rienzi« begann, band ich mich nun an nichts, als an die einzige Absicht, meinem Süjet zu entsprechen: ich stellte mir kein Vorbild, sondern überließ mich einzig dem Gefühle, das mich verzehrte, dem Gefühle, daß ich nun so weit sei, von der Entwickelung meiner künstlerischen Kräfte etwas Bedeutendes zu verlangen und etwas nicht Unbedeutendes zu erwarten. Der Gedanke, mit Bewußtsein – wenn auch nur in einem einzigen Takte – seicht oder trivial zu sein, war mir entsetzlich. Mit voller Begeisterung setzte ich im Winter die Komposition fort, so daß ich im Frühjahr 1839 die beiden großen ersten Akte fertig hatte. Um diese Zeit ging mein Kontrakt mit dem Theaterdirektor zu Ende, und besondere Umstände verleideten es mir, länger in Riga zu bleiben. Bereits seit zwei Jahren nährte ich den Plan, nach Paris zu gehen; ich hatte deshalb schon von Königsberg aus den Entwurf eines Opernsüjets an Scribe geschickt, mit dem Vorschlage, denselben, falls er ihm gefiele, für seine Rechnung auszuführen, und mir dafür den Auftrag, diese Oper für Paris zu komponiren, zu erwirken. Natürlich hatte Scribe dieß so gut wie unbeachtet gelassen. Nichtsdestoweniger gab ich meine Pläne nicht auf, ich ging vielmehr im Sommer 1839 mit Lebhaftigkeit wieder darauf ein, und vermochte kurz und gut meine Frau, sich mit mir an Bord eines Segelschiffes zu begeben, welches uns bis London bringen sollte. Diese Seefahrt wird mir ewig unvergeßlich bleiben; sie dauerte drei und eine halbe Woche und war reich an Unfällen. Dreimal litten wir von heftigstem Sturme, und einmal sah sich der Kapitän genöthigt, in einem norwegischen Hafen einzulaufen. Die Durchfahrt durch die norwegischen Schären machte einen wunderbaren Eindruck auf meine Phantasie; die Sage vom fliegenden Holländer, wie ich sie aus dem Munde der Matrosen bestätigt erhielt, gewann in mir eine bestimmte, eigenthümliche Farbe, die ihr nur die von mir erlebten Seeabenteuer verleihen konnten. Von der äußerst angreifenden Fahrt ausruhend, verweilten wir acht Tage in London; nichts interessirte mich so, als die Stadt selbst und die Parlamentshäuser, – von den Theatern besuchte ich keines. In Boulogne sur mer blieb ich vier Wochen: dort machte ich die erste Bekanntschaft Meyerbeer's, ich ließ ihn die beiden fertigen Akte meines »Rienzi« kennen lernen; er sagte mir auf das Freundlichste seine Unterstützung in Paris zu. Mit
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