Auswahl seiner Schriften
sehr wenig Geld, aber den besten Hoffnungen betrat ich nun Paris. Gänzlich ohne alle Empfehlungen war ich einzig nur auf Meyerbeer angewiesen; mit der ausgezeichnetsten Sorgsamkeit schien dieser für mich einzuleiten, was irgend meinen Zwecken dienlich sein konnte,
Anmerkung des Herausgebers: 3) Als Wagner diese immerhin schon etwas vorsichtig sich ausdrückenden Zeilen über die »aufs Freundlichste zugesagte Unterstützung« Meyerbeers niederschrieb, konnte er freilich noch keine Ahnung von dem wahren Verhalten dieses »Protektors« haben, wie es uns heute offen vor Augen liegt. Meyerbeer empfahl in Wirklichkeit Wagner nur dorthin, »wo er eine Erfolglosigkeit seiner Empfehlung aus inneren oder äußeren Gründen mit Bestimmtheit voraussehen konnte« (Gl. I, 512). So empfahl er ihn, wie wir weiter unten lesen werden, »dringend« an das Théâtre de la Renaissance , von dem er sicher wußte , daß es bald wieder Bankerott machen würde (Gl. I, 348), verzögerte in Berlin die Aufführung des von ihm selber »empfohlenen« »Holländers« volle zwei Jahre und machte trotz allen Beifallsbezeigungen des Publikums dieses wie alle anderen Werke dauernd vom Repertoire verschwinden (Gl. I, 427 ff., 512 ff.); schließlich war wieder er es, der im großen Pariser Tannhäuserskandale die verborgene Führerrolle spielte (Gl. II, 2, S. 285 ff.). Diese Beispiele von Meyerbeers »Empfehler«-Tätigkeit mögen hier genügen. (Ausführlicheres an den oben angeführten Stellen bei Glasenapp, ebenda auch I,363, 379; III, 1, S. 448 und an vielen anderen Stellen.)
und gewiß dünkte es mich, bald zu einem erwünschten Ziele zu kommen, hätte ich es nicht so unglücklich getroffen, daß gerade während der ganzen Zeit meines Pariser Aufenthaltes Meyerbeer meistens und fast immer von Paris entfernt war. Auch aus der Entfernung wollte er mir zwar nützlich sein, nach seinen eigenen Voraussagungen konnten briefliche Bemühungen aber da von keinem Erfolge sein, wo höchstens das unausgesetzteste persönliche Eingreifen von Wirkung werden kann. Zunächst trat ich in Verbindungen mit dem Theater de la Renaissance , welches damals Schauspiele und Opern zugleich aufführte. Am geeignetsten für dieses Theater schien mir die Partitur meines »Liebesverbotes«; auch das etwas frivole Süjet wäre gut für die französische Bühne zu verarbeiten gewesen. Ich war dem Direktor des Theaters von Meyerbeer so dringend anempfohlen, daß er nicht anders konnte, als mir die besten Versprechungen zu machen. Demzufolge erbot sich mir einer der fruchtbarsten Pariser Theaterdichter, Dumersan , die Bearbeitung des Süjets zu übernehmen. Drei Stücke, die zu einer Audition bestimmt wurden, übersetzte Dumersan mit dem größten Glücke, so daß sich meine Musik zu dem neuen französischen Texte noch besser, als auf den ursprünglichen deutschen ausnahm; es war eben Musik, wie sie Franzosen am leichtesten begreifen, und Alles versprach mir den besten Erfolg, als sofort das Theater de la Renaissance Bankerott machte. Alle Mühe, alle Hoffnungen waren so vergebens gewesen. In demselben Winterhalbjahre, 1839 zu 1840, komponirte ich außer einer Ouvertüre zu Goethes »Faust«, I. Theil, mehrere französische Lieder, unter andern auch eine für mich gemachte französische Übersetzung der beiden Grenadiere von H. Heine. An eine möglich zu machende Aufführung meines »Rienzi« in Paris habe ich nie gedacht, weil ich mit Sicherheit voraussah, daß ich wenigstens fünf bis sechs Jahre hätte warten müssen, ehe selbst im glücklichsten Falle solch' ein Plan ausführbar geworden wäre; auch würde die Übersetzung des Textes der bereits zur Hälfte fertig komponirten Oper unübersteigliche Hindernisse in den Weg gelegt haben. – So trat ich in den Sommer 1840 gänzlich ohne alle nächste Aussichten. Meine Bekanntschaften mit Habeneck, Halevy, Berlioz u. s. w. führten durchaus zu keiner weitern Annäherung an diese: in Paris hat kein Künstler Zeit, sich mit einem andern zu befreunden, jeder ist in Hatz und Eile um seiner selbst willen. Halevy ist, wie alle Pariser Komponisten unserer Zeit, nur so lange von Enthusiasmus für seine Kunst entflammt gewesen, als es galt, einen großen Succeß zu gewinnen: sobald dieser davongetragen und er in die Reihe der privilegirten Komponisten-Lions eingetreten war, hatte er nichts weiter im Sinne, als Opern zu machen und Geld dafür einzunehmen. Das Renommée ist alles in Paris, das Glück und der Verderb der Künstler. Berlioz
Weitere Kostenlose Bücher