Auswahl seiner Schriften
für heute mich nur dahin zu erklären, daß ich unter allen Umständen, an jedem Orte und bei jeder Beschaffenheit der Mittel, die allmähliche Heranbildung eines unserer Absicht entsprechenden Theaters für möglich halte, sobald vor Allem Eines bestimmt wird, nämlich daß dieß ein Originaltheater sei . Ich muß es für jetzt bei dieser Andeutung bewenden lassen, da die Auseinandersetzung meines Planes zur Errichtung eines solchen Theaters mich viel zu weit führen würde: gern bin ich aber erbötig, mich ausführlich hierüber mitzutheilen, sobald dieß besonders von mir verlangt wird. – – –
Anmerkung des Herausgebers: 21) In der Entstehung und Verwirklichung des Wagnerschen Gedankens eines »Originaltheaters« oder »Festspielhauses« lassen sich im wesentlichen drei Etappen unterscheiden. Zunächst verlangt Wagner die Reform des Theaters. Er bemüht sich als Kapellmeister um die Hebung seines künstlerischen Niveaus, er verlangt, man solle die Zahl der Aufführungen beschränken und dafür nur vorzügliche Aufführungen geben, er arbeitet schließlich ein umfassendes Reformprojekt aus in der Schrift »Entwurf zur Organisation eines deutschen Nationaltheaters« 1848 (G. S. u. D. II, 233 ff., wieder aufgenommen im »Wiener Hofoperntheater« ebenda VII, 272 ff.). Alle diese Bemühungen scheitern aber und so wendet sich Wagner vom modernen Theater ab. Er sieht ein, und damit beginnt die zweite Etappe, daß alle Reform hier unmöglich, und versucht ein gänzlich Neues, eine Regeneration . Wie er seinerzeit mit dem Entwurfe des Rienzi sich absichtlich von jeder Möglichkeit entfernte, an kleinen Provinzbühnen aufgeführt zu werden, so entfernt er sich mit dem Entwurfe des Nibelungendramas bewußt von jeder Möglichkeit, an unsern Operntheatern gegeben zu werden. Der Unterhaltungskunst unserer Großstädte, die ein von unverstandener und verhaßter Tagesarbeit ermüdetes Publikum zerstreut , um sie ihr Leben vergessen zu lassen, soll eine Erbauungskunst gegenübergestellt werden, die ein für diesen Moment von allem Werktag festlich befreites Volk zu tiefster, künstlerischer Andacht sammelt , um es dieses selbe Leben verstehen zu lassen und den freudig-kräftigen Willen zu ihm und seiner Arbeit zu stärken . Der »Ring des Nibelungen« soll als »Fest« gegeben werden. »Am liebsten in irgend einer schönen Einöde, fern von dem Qualm und dem Industriegeruche unserer städtischen Zivilisation« soll »von Brett und Balken ein rohes Theater hergestellt und lediglich bloß mit der Ausstattung an Dekorationen und Maschinerie versehen werden, die zur Aufführung nötig sind.« Sänger und Orchester werden zusammengeladen. Weder sie noch der Autor dürften einen pekuniären Vorteil von der Aufführung haben. Alle wahren Kunstfreunde sollen freien Eintritt genießen. – Soweit die »Festspielidee in ihrer ganzen Reine, wie sie dem Genie vorschwebte, ehe sie durch den Kontakt mit der Wirklichkeit und durch die tausend Kompromisse, die diese nötig macht, so manche ideale Forderung hatte aufgeben müssen, dafür aber lebensfähig geworden war« (Chamberlain, »Richard Wagner« S. 467 der Textausgabe). Die »durch tausend Kompromisse lebensfähig gewordene« Festspielidee ist dann die dritte Etappe, das, was als »Festspielhaus« am grünen Hügel bei Bayreuth steht. Ihre Macht und ihren Zauber schöpft diese endliche »Verwirklichung« einzig aus dem hier vorschwebenden Ideale, ihre Schwächen und Fehler stammen alle aus den Kompromissen mit dem Theater, aus dem allein sie Ausübende wie Zuhörer gewinnen konnte. Dieser Doppelnatur der Bayreuther Festspiele gegenüber darf man also nie vergessen, daß seine edelsten Bemühungen erfolglos bleiben müssen, solange sein Publikum wie seine Künstler nicht an sich selbst jene große Wandlung vollziehen, die allein das Theater zur »moralischen Anstalt« Schillers, zum »Weihefestspiel« Richard Wagners umschaffen kann – die Wandlung, die nicht mehr »Zerstreuung« und »Unterhaltung«, sondern »Sammlung« und »Erbauung« im Festspielhause sucht.
Hier, lieber Liszt, hast Du den Ausspruch Dessen, was mein Bekanntwerden mit Deiner Schrift »über die Goethestiftung« in mir angeregt hat. Ich glaube Deinen Sinn zu treffen, wenn Du ihn auch anders äußerst. Zwei Anschauungen scheinen sich bei Deinem Entwurfe gekreuzt zu haben, eine ideale und eine reale, die sich nicht gegenseitig vollständig durchdringen konnten. In der idealen theilest Du fast ganz meine Ansicht: die
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