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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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Angelegenheit zu beachten und endlich zu fördern hätte, jetzt fortfahren.
    Ein Verein, der sich zu Ehren des Andenkens Goethe's, vom Standpunkte .der reinen künstlerischen Intelligenz aus, den Zweck setzt, für Förderung der Kunst zu wirken, hätte nun zuerst zu erspähen, wo irgend einer Kunstrichtung jene von mir bezeichnete Möglichkeit ihrer genügendsten Kundgebung als Erscheinung erschwert, oder gar gänzlich verwehrt wäre, um alle vereinigte Kraft der Kenntniß und des Willens daran zu setzen, daß diese Möglichkeit erleichtert, oder überhaupt erst hergestellt werde. Bei genauer Prüfung würde der Verein zu seiner Verwunderung ersehen müssen, daß gerade diejenige Kunst, zu deren Ehren er zunächst zusammentrat, der Herstellung jener Möglichkeit am allermeisten, ja in Wahrheit einzig bedarf. Dem Bildhauer, dem Maler und dem Musiker (so lange dieser dem Theater fremd bleibt) stehen durch die Mechanik oder durch die künstlerische Gesellschaft vollkommen die Mittel zu Gebote, die ihm zur Verwirklichung seiner künstlerischen Absicht nöthig sind. Fühlt ein Genie dieser Künste in sich den Drang und die Fähigkeit zu einer neuen eigenthümlichen Richtung, so steht ihm nicht das Geringste im Wege, diese Richtung zu verfolgen; denn er verfügt über die Mittel zur entsprechendsten Kundgebung seiner Absicht, und einzig seiner Unfähigkeit, oder der Ungesundheit, seiner Richtung, müßte es beizumessen sein, wenn er sich nicht verständlich machen, oder seine Absicht nicht zur Mitempfindung bringen könnte; und für diesen Fall würde keine Aufmunterung und kein Verein der Welt zu helfen im Stande sein, da hier nur künstlerischer Rath und der Gewinn eigener Kunsterfahrung fördern kann. Ganz ebenso steht es um den Dichter, der sich für die Kundgebung seines Gedankens mit der Schriftstellers begnügt: ihm stehen in Tinte, Feder und Papier die einfachen Mittel zu Gebote, sich – so weit er es eben nur will und einzig beabsichtigt – vollkommen verständlich zu machen; sie verwehren ihm nicht im Mindesten, neue Richtungen einzuschlagen. – Ganz anders – so sehen wir – steht es aber mit dem wirklichen Dichter, der sein Gedicht zur untrüglichen Erscheinung im scenischen Drama bringen will: für diesen sind die Mittel der Verwirklichung im gegenwärtigen Theater geradesweges unvorhanden. Das Trügliche hierbei, und was den Blick von dieser Erscheinung ablenkt, ist aber, daß diese Mittel scheinbar vorhanden sind. Allerdings giebt es Theater, und auf ihnen werden mitunter sogar die besten Werke der dramatischen Kunst vergangener Zeiten vorgeführt, [Fußnote: Wie? darnach fragen allerdings nur Wenige, am wenigsten aber gewiß unsere bildenden Künstler!] so daß dieser Erscheinung gegenüber gemeinhin die gedankenlose Äußerung sich hören läßt: warum sind unsere Dichter keine Goethe und Schiller? Wer kann dafür, daß keine Genies wie sie wieder geboren worden sind ? – Es müßte mich hier zu weit führen, wenn ich der Zerstreutheit, aus der diese Äußerungen hervorgehen, gründlich entgegnen wollte: für jetzt genüge uns nur die Bestätigung Dessen, daß in Wahrheit seit Goethe und Schiller nichts von Bedeutung auf unserer Bühne mehr geleistet worden ist, und daß es keinem Menschen einfällt, den Grund hiervon in etwas Anderem, als in einem absoluten Verkommen des dichterischen Genie's der Nation zu suchen. Wie wäre es nun, wenn ich gerade aus dieser Erscheinung den Beweis dafür zöge, daß nur die mangelhaften oder unentsprechenden Mittel der dramatischen Darstellung jenes mehr als scheinbare Verkommen bewirkt haben? Bereits erwähnte ich, daß Goethe, von der Unmöglichkeit, dem Theater in seinem Sinne beizukommen, besiegt, von diesem sich zurückzog. Der verlorene Muth eines Goethe ging natürlich in seine dichterischen Nachkommen über, und das nothgedrungene Aufgeben des Theaters war gerade der Grund, daß sie auch in der poetischen Litteratur immer mehr an dichterisch gestaltender Fähigkeit verloren. Goethe's künstlerisches Gestaltungsvermögen wuchs und erstarkte genau in dem Grade, als er es der Realität der Bühne zuwandte, und eben in dem Grade zerfloß und erschlaffte es, als er mit verlorenem Muthe von dieser Realität es abwandte. Diese Muthlosigkeit ward nun zur ästhetischen Maxime unserer jüngeren Dichterwelt, die ganz in dem Maaße in ein litterarisch abstraktes, gestaltungsunfähiges Schaffen sich verlor, als sie verachtungsvoll der Bühne den Rücken kehrte, und sie

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