Auswahl seiner Schriften
Berlin bringen sollte. – Ich entsinne mich jetzt mit Schrecken, in welchen Pfuhl von Widersprüchen der übelsten Art diese bloße Besorgniß um äußeren Erfolg, bei meinen schon damals fest stehenden künstlerisch menschlichen Gesinnungen, mich brachte. Ich mußte mich dem ganzen modernen Laster der Heuchelei und Lügenhaftigkeit ergeben: Leuten, die ich in Grund und Boden verachtete, schmeichelte ich oder mindestens verbarg ich ihnen sorgsam meine innere Gesinnung, weil sie, den Umständen gemäß, die Macht über Erfolg oder Nichterfolg meiner Unternehmung hatten; klugen Menschen, die auf der meinem wahren Wesen entgegengesetzten Seite standen, und von denen ich wußte, daß sie mich ebenso mißtrauisch beargwöhnten, als sie selbst mir innerlich zuwider waren, suchte ich durch künstliche Unbefangenheit Mißtrauen und Argwohn zu benehmen, wobei ich doch wiederum deutlich empfand, daß mir dieß nie wirklich gelingen konnte. Dieß Alles mußte natürlich auch ohne den einzig beabsichtigten Erfolg bleiben, weil ich nicht anders als sehr stümperhaft zu lügen verstand: meine immer wieder durchbrechende aufrichtige Gesinnung konnte mich aus einem gefährlichen Menschen nur noch zu einem lächerlichen machen. Nichts schadete mir z. B. mehr, als daß ich, im Gefühl des Besseren was ich zu leisten vermochte, in einer Ansprache an das Künstlerpersonale beim Beginn der Generalprobe, das Übertriebene der Anforderungen für den Kraftaufwand, das sich im Rienzi vorfand, und dem die Künstler mit großer Anstrengung zu entsprechen hatten, als eine von mir begangene »künstlerische Jugendsünde« bezeichnete: die Rezensenten brachten diese Äußerung ganz warm vor das Publikum, und gaben diesem sein Verhalten gegen ein Werk an, das der Komponist selbst als ein »durchaus verfehltes« bezeichnet hätte, und dessen Vorführung vor das kunstgebildete Berliner Publikum somit eine züchtigungswerthe Frechheit sei. – So hatte ich meinen geringen Erfolg in Berlin in Wahrheit mehr auf meine schlecht gespielte Rolle des Diplomaten, als auf meine Oper zu beziehen, die, wenn ich mit vollem Glauben an ihren Werth und an meinen Eifer, diesen Werth zur Geltung zu bringen, an das Werk gegangen wäre, vielleicht dasselbe Glück gemacht hätte, was Werken von bei weitem geringerer Wirkungskraft dort zu Theil wurde.
Es war ein gräßlicher Zustand, in welchem ich von Berlin zurückkehrte; nur Diejenigen, welche meine oft anhaltenden Ausbrüche einer ausgelassenen ironischen Lustigkeit mißverstanden, konnten sich darüber täuschen, daß ich mich jetzt um so unglücklicher fühlte, als ich selbst mit dem nothgedrungenen Versuche zu meiner Selbstentehrung – gemeinhin Lebensklugheit genannt – durchgefallen war. Nie ward mir der scheußliche Zwang, mit dem ein unzerreißbarer Zusammenhang unserer modernen Kunst- und Lebenszustände ein freies Herz sich unterjocht und zum schlechten Menschen macht, klarer, als in jener Zeit. War hier für den Einzelnen ein anderer Ausweg zu finden, als – der Tod? Wie lächerlich mußten mir die klugen Albernen erscheinen, die in der Sehnsucht nach diesem Tode ein »durch die Wissenschaft bereits überwundenes«, und daher verwerfliches Moment »christlicher Überspanntheit« finden zu müssen glaubten! Bin ich in dem Verlangen, mich der Nichtswürdigkeit der modernen Welt zu entwinden, Christ gewesen, – nun so war ich ein ehrlicherer Christ als alle Die, die mir jetzt den Abfall vom Christenthume mit impertinenter Frömmigkeit vorwerfen. –
Eines hielt mich aufrecht: meine Kunst , die für mich eben nicht ein Mittel zum Ruhm- und Gelderwerb, sondern zur Kundgebung meiner Anschauungen an fühlende Herzen war. Als ich nun auch die Macht des äußeren Zwanges, der zuletzt mich noch zur Spekulation auf äußeren Erfolg hingedrängt hatte, von mir wies, ward ich gerade jetzt erst recht deutlich inne, wie unerläßlich nothwendig es mir sei, um die Bildung des künstlerischen Organes mich zu bemühen, durch das ich mich in meinem Sinne mittheilen konnte. Dieses Organ war das Theater , oder besser: die theatralische Darstellungskunst, die von mir jetzt immer mehr als das einzig erlösende Moment für den Dichter erkannt wurde, der sein Gewolltes erst durch dieses Moment zur befriedigend gewissen, sinnlich gekonnten That erhoben sieht. In diesem über Alles wichtigen Punkte hatte ich mich bisher immer mehr nur den Fügungen des Zufalles überlassen: jetzt fühlte ich, daß es hier, an einem bestimmten
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