Auswahl seiner Schriften
nicht beunruhigen, der es eben nur darauf abzusehen hat, dem »Publikum« das Geld aus der Tasche zu locken; die hierauf bezügliche Aufgabe wird auch mit großem Takte und nie fehlender Sicherheit von jedem Direktor unserer großen oder kleinen städtischen Theater gelöst. Verwirrend wirkt diese Stellung aber auf Denjenigen, der von einem fürstlichen Hofe zur Leitung ganz desselben Institutes berufen wird, das aber darin von jenen Anstalten sich unterscheidet, daß ihm der Schutz des Hofes in der Zusicherung der Deckung vorkommender Ausfälle in den Einnahmen verliehen ist. Vermöge dieses sichernden Schutzes müßte sich der Direktor eines solchen Hoftheaters bestimmt fühlen, von der Spekulation auf den bereits verdorbenen Geschmack der Masse abzusehen, und vielmehr auf die Hebung dieses Geschmackes dadurch zu wirken, daß der Geist der theatralischen Vorführungen nach dem Ermessen der höheren Kunstintelligenz bestimmt werde. In Wahrheit ist dieß auch ursprünglich bei Gründung der Hoftheater die wohlgemeinte Absicht geistvoller Fürsten, wie Joseph II., gewesen; sie hat sich auch als Tradition bis auf die Hoftheaterintendanten der neueren Zeit fortgepflanzt. Zwei praktische Umstände hinderten aber die Geltendmachung dieser – an und für sich mehr hochmüthig wohlwollend chimärischen, als wirklich erreichbaren – Absicht: erstlich, die persönliche Unfähigkeit des bestellten Intendanten, der meistens ohne Rücksicht auf etwa gewonnene Fachkenntniß oder selbst nur natürliche Disposition für Kunstempfänglichkeit, aus der Reihe der Hofbeamten gewählt wurde; und zweitens: die Unmöglichkeit, der Spekulation auf den Geschmack des Publikums in Wahrheit zu entsagen. Gerade die reichlichere Unterstützung der Hoftheater an Geldmitteln war nur zu Vertheuerung des künstlerischen Materials verwendet worden, für dessen Heranbildung gründlich zu sorgen den sonst so erziehungssüchtigen Leitern unseres Staates, mit Bezug auf die theatralische Kunst, nie eingefallen war; und hierdurch steigerte sich die Kostspieligkeit dieser Institute so sehr, daß gerade auch dem Direktor eines Hoftheaters die Spekulation auf das zahlende Publikum, ohne dessen thätigste Mithilfe die Ausgaben nicht zu erschwingen waren, zur reinen Nothwendigkeit wurde. Diese Spekulation nun in dem Sinne jedes anderen Theaterunternehmers glücklich auszuüben, machte dem vornehmen Hoftheaterintendanten aber wiederum das Gefühl von seiner höheren Aufgabe unmöglich, die – bei seiner persönlichen Unbefähigung, diese Aufgabe nach ihrer richtigen Bedeutung zu fassen – jedoch unglücklicher Weise nur im Sinne eines gänzlich inhaltslosen Hofdünkels verstanden, und dahin aufgegriffen werden konnte, daß wegen irgend einer unsinnigen Veranstaltung der Intendant sich damit entschuldigte, bei einem Hoftheater ginge dieß Niemand etwas an. Somit kann die Wirksamkeit eines heutigen Hoftheaterintendanten nothgedrungen nur in dem beständig zur Schau getragenen Konflikte eines schlechten Spekulationsgeistes mit einem höfischbornirten Hochmuthe bestehen. Die Einsicht in diese Nothwendigkeit ist so leicht zu gewinnen, daß ich hier dieser Stellung nur erwähnt, nicht aber sie selbst näher beleuchtet haben will.
Daß sich Keiner, auch der am besten Gestimmte und, um der Ehre willen, für das Gute am zugänglichsten Disponirte, den zwingenden Einwirkungen dieser unnatürlichen Stellung entziehen kann, sobald er sie eben nicht gänzlich aufzugeben sich entschließt, dieß mußte mir aus meinen Dresdener Erfahrungen vollkommen ersichtlich werden. Diese Erfahrungen selbst umständlicher zu bezeichnen, glaube ich gewiß nicht nöthig zu haben; kaum wird es der Versicherung bedürfen, daß ich unter den immer erneuten und immer wieder für fruchtlos erkannten Versuchen, der persönlichen Geneigtheit meines Intendanten für mich einen entscheidend günstigen Einfluß auf die Theaterangelegenheiten abzugewinnen, endlich selbst in einen martervoll schwankenden, unsicheren, tappend irrenden und widerspruchsvollen Gang gerieth, von dem ich mich nur durch vollständiges Zurückziehen und Beschränken aus meine strikte Pflicht, zu befreien vermochte.
Wandte ich mich nun aus dieser Zurückgezogenheit wieder dem Theater zu, so konnte dieß, nach der erfahrenen Fruchtlosigkeit aller vereinzelten Versuche, nur im Sinne einer grundsätzlichen gänzlichen Umgestaltung desselben sein. Ich mußte erkennen, daß ich hier nicht mit einzelnen Erscheinungen, sondern
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