Auswahl seiner Schriften
mit einem großen Zusammenhange von Erscheinungen zu thun hatte, von dem ich allmählich immer mehr inne werden mußte, daß auch er wiederum in einem unendlich weit verzweigten Zusammenhange mit unseren ganzen politischen und sozialen Zuständen enthalten sei. Auf dem Wege des Nachsinnens über die Möglichkeit einer gründlichen Änderung unserer Theaterverhältnisse, ward ich ganz von selbst auf die volle Erkenntniß der Nichtswürdigkeit der politischen und sozialen Zustände Hingetrieben, die aus sich gerade keine anderen öffentlichen Kunstzustände bedingen konnten, als eben die von mir angegriffenen. – Diese Erkenntniß war für meine ganze weitere Lebensentwickelung entscheidend.
Nie hatte ich mich eigentlich mit Politik beschäftigt. Ich entsinne mich jetzt, den Erscheinungen der politischen Welt genau nur in dem Maaße Aufmerksamkeit zugewendet zu haben, als in ihnen der Geist der Revolution sich kundthat, nämlich, als die reine menschliche Natur sich gegen den politisch-juristischen Formalismus empörte: in diesem Sinne war ein Kriminalfall für mich von demselben Interesse, wie eine politische Aktion. Stets konnte ich nur für den Leidenden Partei nehmen, und zwar ganz in dem Grade eifrig, als er sich gegen irgend welchen Druck wehrte: niemals habe ich es vermocht, irgend einer politisch konstruktiven Idee zu lieb diese Parteinahme fallen zu lassen. Daher war meine Theilnahme an der politischen Erscheinungswelt insofern stets künstlerischer Natur gewesen, als ich unter ihrer formellen Äußerung auf ihren rein menschlichen Inhalt blickte: erst wenn ich dieses Formelle, wie es sich aus juristisch-traditionellen Rechtspunkten gestaltet, von den Erscheinungen abstreifen, und auf ihren inhaltlichen Kern als rein menschliches Wesen treffen konnte, vermochten sie mir Sympathie abzugewinnen; denn hier ersah ich dann genau dasselbe drängende Motiv, was mich als künstlerischen Menschen aus der schlechten sinnlichen Form der Gegenwart zum Gewinn einer neuen, dem wahren menschlichen Wesen entsprechenden, sinnlichen Gestaltung heraustrieb, – einer Gestaltung, die eben nur durch Vernichtung der sinnlichen Form der Gegenwart, also durch die Revolution zu gewinnen ist.
So war ich von meinem künstlerischen Standpunkte aus, namentlich auch auf dem bezeichneten Wege des Sinnens über die Umgestaltung des Theaters, [Fußnote: Ich hebe dieß gerade hervor, so abgeschmackt es auch von Denen aufgefaßt wird, die sich über mich, als »Revolutionär zu Gunsten des Theaters«, lustig machen.] bis dahin gelangt, daß ich die Notwendigkeit der hereinbrechenden Revolution von 1848 vollkommen zu erkennen im Stande war. – Die politisch formelle Richtung, in die sich damals – zumal in Deutschland – zunächst der Strom der Bewegung ergoß, täuschte mich über das wahre Wesen der Revolution wohl nicht: doch hielt es mich anfangs noch fern von irgend welcher Betheiligung an ihr. Ich vermochte es, einen umfassenden Plan zur Reorganisation des Theaters auszuarbeiten, um mit ihm, sobald die revolutionäre Frage an dieses Institut gelangen würde, gut gerüstet hervorzutreten. Es entging mir nicht, daß bei einer voraus zu sehenden neuen Ordnung des Staatshaushaltes, der Zweck der Unterstützungsgelder für das Theater einer peinlichen Kritik ausgesetzt sein würde: sobald es hierzu käme, und, wie vorauszusehen war, ein öffentlicher Nutzen aus der Verwendung jener Gelder nicht begriffen werden würde, sollte mein vorgelegter Plan zunächst das Geständniß dieser Nutz- und Zwecklosigkeit nicht nur vom staatsökonomischen, sondern namentlich eben auch vom Standpunkte des rein künstlerischen Interesses aus, enthalten; zugleich aber den wahren Zweck der theatralischen Kunst vor der bürgerlichen Gesellschaft und die Notwendigkeit, einem solchen Zwecke alle nöthigen Mittel der Erreichung zur Verfügung zu stellen. Denjenigen vorführen, die mit gerechter Entrüstung im bisherigen Theater ein nutzloses, oder gar schädliches öffentliches Institut ersahen.
Es geschah dieß Alles in der Voraussetzung einer friedlichen Lösung der Obschwebenden, mehr reformatorischen als revolutionären Fragen, und des ernstlichen Willens von Oben herab, die wirkliche Reform selbst zu bewerkstelligen. Der Gang der politischen Ereignisse mußte mich bald eines Anderen belehren: Reaktion und Revolution stellten sich nackt einander gegenüber, und die Nothwendigkeit trat hervor, ganz in das Alte zurückzukehren, oder gar mit dem Alten zu
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