Auszeit
er nachdachte.
Dann sagte er: »Hab’ Geduld. Jeden Tag bekommst du so viel Sonne, Regen und Wind, wie du gerade brauchst. Nimm das und glaube mir, alles andere wird sich von selbst finden.«
Dieses lähmende Gefühl »Das schaffst du nie …«, »Alle anderen sind besser« gehört zu den größten Motivationskillern im Leben, bei Kindern wie bei Erwachsenen. Da ist einer im heimatlichen Sportverein einer der Besten, dann steigt er auf in die Regionalliga, und plötzlich kann er kaum noch mithalten, alle um ihn herum scheinen ihm überlegen zu sein. Wenn es nicht gelingt, dies innerlich zu verarbeiten, möglicherweise als gesunden Ansporn zu nehmen, kann es sein, dass in Kürze schon der geliebte Sport keinen Spaß mehr macht und er im schlimmsten Falle alles hinschmeißt. – Ein leidliches Tänzerpaar zieht auf einem Ball die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich und genießt sein Können, zu späterer Stunde taucht eine Riege Tanzprofis auf, und schon kann bei dem Paar das Gefühl entstehen, »nichts mehr zu können«, und sie stellen für den Abend frustriert ihr geliebtes Hobby ein. – Und ein an sich recht wohlhabender Mensch kann sich auf einer Party von sehr reichen Leuten wie ein »armer Schlucker« vorkommen. Verrückt: Tatsächlich hat |137| sich gar nichts geändert, nur der innere Vorgang des Vergleichens ist in der Lage, Laune und Selbstwertgefühl ins Wanken zu bringen. Und in den meisten Fällen ist man sich dessen auch gar nicht bewusst.
Wie kann man diesem verhängnisvollen Vorgang entkommen? Zunächst ist leider festzustellen, dass es sich um einen Automatismus handelt, der sich nicht abstellen oder verhindern lässt. Doch man kann lernen, mit der Zeit damit anders umzugehen und seine psychologisch negativen Wirkungen zu entschärfen oder gar aufzulösen.
Der erste Schritt ist, sich überhaupt bewusst zu werden, dass man dabei ist, sich zu vergleichen, und (vielleicht sogar mit neugierigem Interesse) festzustellen, dass allein dieser Vorgang es ist, der einem subjektiv ein schlechtes Gefühl vermittelt, für das es tatsächlich keinerlei Grund gibt. Wenn es allein gelingt, dies wahrzunehmen, ist man schon mit einem Schritt der Vergleichsfalle entkommen.
Außerdem kann es helfen, sich bewusst zu machen, dass es immer und überall Menschen geben wird, die entweder fachlich kompetenter, reicher, schöner, jünger, schneller oder sonst wie erfolgreicher sind. Darauf kommt es aber nicht an, denn es geht nur um einen selbst: Im Rahmen der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten sein Bestes zu geben, ohne sich dabei zu überfordern. Gegebenenfalls kann es auch sinnvoll sein, die innere »Latte« einfach etwas niedriger anzulegen, wenn man sich auf einem »höheren« Niveau (noch) überfordert fühlt.
Manchmal kann auch ein Blick nach »unten« heilsame Wirkung haben, indem man (ohne Überheblichkeit) feststellt, wie viele es auch gibt, die weniger haben, weniger können, weniger erfolgreich sind und so weiter. Meist sind dies nämlich viel, viel mehr als all diejenigen, die man für »besser« hält. |138| Nicht, um auf diese Menschen herabzublicken, sondern um dankbarer und zufriedener zu sein mit dem, was man selbst (erreicht) hat.
Auf diese Weise kann es gelingen, der destruktiven Vergleichsfalle zu entkommen und dennoch mit Geduld weiterzuwachsen, wie es der Vogel dem kleinen Baum geraten hat. Alles andere wird sich tatsächlich meist von selbst finden!
Fragen zum Nachdenken
In welchen Situationen neige ich dazu, mich zu vergleichen, und wann habe ich dabei schon gemerkt, wie dies mein Selbstbewusstsein und meine Selbstzufriedenheit trüben kann?
In welchen Fällen hat dagegen das Vergleichen für mich eher positiv antreibende Wirkung, im Sinne von: »OK, das kann ich zwar noch nicht, aber eines Tages werde ich das auch erreichen!«?
Wo könnte ich in meinem Leben die Messlatte niedriger anlegen und den eigenen Anspruch an mich selbst etwas abmildern, um zufriedener zu werden?
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|139| Heilsamer Abstand
Entfernung und Trennung können schmerzhaft sein, wenn es sich um einen geliebten Menschen oder einen schönen Ort handelt, dem man sehr verbunden ist. Doch genauso können Distanz und Abstand eine heilende oder gar problemlösende Funktion haben, wenn es sich um Schwierigkeiten oder negative Emotionen aller Art dreht. Ja, manchmal kann Entfernung sogar zu lebensrettenden Erkenntnissen führen, wie in der Geschichte von Klara und dem Zaun:
Es war einmal ein Huhn, Klara
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