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Auszeit

Auszeit

Titel: Auszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco von Münchhausen
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Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da …« (Psalm 90, 4 und 103, 15/16) Wozu kann diese Sichtweise dienen? Natürlich besteht die Gefahr, von einem Gefühl der Bedeutungslosigkeit des eigenen Daseins erfasst zu werden und sich zu fragen, was hat denn dann überhaupt noch Sinn? Genauso gut kann einem diese Betrachtungsweise aber auch helfen, einerseits auftauchende Schwierigkeiten nicht als allzu tragisch einzuschätzen und andererseits auch sich selbst nicht ganz so wichtig zu nehmen. Ja, es kann sogar sein, dass man durch diese Betrachtung ein Quantum an weise lächelndem Humor entwickelt, der einem hilft, mit mehr Leichtigkeit und Gelöstheit die Anforderungen des Alltags anzugehen – nicht um sie gering zu schätzen, sondern um sich von ihnen nicht überwältigen zu lassen. Im Gegenteil, mit dieser Grundhaltung könnte man sogar noch bewusster und intensiver am »Spiel des Lebens« teilnehmen. So paradox es womöglich erscheinen mag: Der innere Abstand zu den uns negativ emotionalisierenden Geschehnissen und zu uns selbst kann uns befähigen, mit noch mehr Engagement und Intensität in die Gegenwart einzutauchen. Dann geht es nicht mehr in erster Linie um das, was ich alles an »Bedeutendem« in meinem Leben erreiche (das |133| Aufleuchten eines Glühwurms in der Nacht), sondern um die Haltung, wie ich etwas verrichte. Dann kann das eigene Leben gerade auch in kleinen und vermeintlich »unbedeutenden« Dingen seinen Sinn finden, zum Beispiel darin, irgendetwas zu ordnen, jemanden anzulächeln oder einen Tag bewusst zu genießen, ja das ganze Leben so intensiv und hingebungsvoll wie möglich zu leben … trotzdem – oder gerade weil – es einst verweht wie ein Grashalm im Wind. Menschen, die etwas von dieser relativierenden Gelöstheit haben, wirken meist sehr präsent und achtsam in allem, was sie tun, und häufig strahlen sie eine fast heitere Gelassenheit aus – eine Qualität, die in unserer zweck- und ergebnisorientierten Zeit ausgesprochen wertvoll ist.

    Fragen zum Nachdenken
Was hilft mir persönlich, die vermeintliche Tragik augenblicklicher Probleme zu relativieren?
In welcher Hinsicht kann auch mir das Bewusstsein der Relativität aller Dinge, ja sogar meines Lebens, ein wenig Gelöstheit, ja sogar heitere Gelassenheit vermitteln?
Was hilft mir, präsenter zu leben und auch »kleine Dinge« des Alltags mit Bewusstsein und Hingabe anzugehen?

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|135| Sich vergleichen
    »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?«, spricht die böse Königin in Grimms Märchen Schneewittchen . Wer ist der Schnellste, der Größte, der Reichste, der Erfolgreichste? Unsere ganze westliche Kultur ist darauf ausgerichtet, sich im Wettbewerb zu messen und zu vergleichen. Schon im Kindergarten, dann in der Schule und später im Berufsalltag, genauso wie im Privatleben: Wir vergleichen uns ständig – manchmal bewusst, meist aber unbewusst – mit anderen Menschen um uns herum oder mit den unzähligen Idealen, die uns von den Medien und vor allem von der Werbung suggeriert werden. Das mag in manchen Fällen als anspornende Kraft ganz gut sein, in den meisten Fällen hat es verhängnisvolle Folgen: Da es nahezu unmöglich ist, mit all diesen Idealen standzuhalten, entstehen schnell Gefühle von Neid und Frustration, ja nicht selten kann das eigene Selbstbewusstsein davon zermürbt werden. Sich zu vergleichen ist für viele ein schneller Weg zu innerer Unzufriedenheit und bei manchen sogar zur Resignation.
    Es geschah einmal, dass aus der Erde eine kleine Pflanze emporwuchs. Sie freute sich so über das Licht und die Luft, dass sie sich mit allen Kräften entfaltete und größer und größer wurde. Ja, bald konnte man sehen, wie ein kleiner Baum dastand, mit zarten Zweigen und Blättern, in einem wunderschönen Grün.
    |136| Eines Tages ließ das Bäumchen seine Blätter traurig hängen, und auch die kleinen Äste neigten sich zur Erde.
    Ein Vogel, der in dieser Gegend gerne in den Zweigen der Bäume sang, merkte das, flog auf einen der Äste und fragte den jungen Baum, was geschehen sei.
    »Ach«, klagte er. »Ich will nicht mehr weiter wachsen. Wenn ich alle die schönen, großen, starken Bäume um mich sehe, wie sie ihre mächtigen Zweige gegen den blauen Himmel recken, dann denke ich: ›Das schaffst du nie!‹«
    Der Vogel wiegte sich eine Weile auf dem biegsamen Ast, während

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