Auszeit
der eine soll den wöchentlichen Zeiteinsatz für den Beruf, der andere für die Familie und die sozialen Kontakte darstellen. In der Regel ist der erste viel größer als der zweite. Doch dann bitte ich die Teilnehmer, noch einen dritten Kreis anzufügen: die Zeit, die sie ganz für sich selbst haben, frei von irgendeinem Anspruch Dritter. Dieser fällt bei den meisten erschreckend klein aus. Manche schauen sogar erstaunt: Zeit für mich selbst? Letztlich ist dies aber das eigentliche Futter, das unser Esel braucht. Hier können wir auftanken, um dann für unseren Beruf und für andere da zu sein. Wenn wir an diesem Futter sparen, kann es sein, dass wir innerlich immer mehr verhungern und damit auch außen nichts Richtiges mehr bewirken können.
Eine ganze Zeit lang kann es sein, dass man das gar nicht |147| merkt. Gas geben, powern, Nachtarbeit und Wochenenden im Büro, immer auf der Überholspur – doch wenn man nicht rechtzeitig einen Boxenstopp einlegt, kann man leicht enden wie der Esel. Es gilt zu wissen, wann es genug ist, wann man (wenn auch nur vorübergehend) aufhören muss. So mancher Workaholic ist erst durch einen Burn-out, einen Herzinfarkt oder eine sonstige schwere Krankheit aufgewacht. Für Workaholics und Alkoholiker gilt dieselbe Devise: Wenn sie nicht wissen, wann sie aufhören müssen, kann es bitter enden, so humorvoll das auch in dem folgenden Witz klingen mag:
Drei Freunde ziehen von Kneipe zu Kneipe und trinken dabei kräftig.
Am Ende bleiben sie in einer Bar hängen und gießen nochmals reichlich nach.
Schließlich kippt der eine wie in Zeitlupe vom Barhocker und bleibt regungslos auf dem Boden liegen.
Einer der beiden auf dem Hocker sagt zum anderen: »Eins muss man dem Karl lassen. Der weiß, wann er aufhören muss.«
Falls auch Sie zu viel arbeiten: Hören Sie rechtzeitig auf, gönnen Sie sich immer wieder Pausen und Zeit für sich selbst, das lebensnotwendige Futter für Ihre Seele.
Fragen zum Nachdenken
In welchen Situationen brauche ich Disziplin und Verzicht als sinnvolle Instrumente zur Zielerreichung?
Wo neige ich dazu, mir selbst gegenüber zu hart zu sein und mir keine Auszeiten zu gönnen?
Weiß ich, wann es gilt, aufzuhören und einen Boxenstopp einzulegen? |148| Welches Futter könnte ich mir häufiger gönnen, um seelisch aufzutanken?
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|149| Arbeitsfreude und Musse
Wie viel Arbeit ist lebens-notwendig? Was bringt es, sich mehr anzustrengen? Sind größere Effizienz und Rationalisierung immer erstrebenswert? Wann bleibt die Freude an der Arbeit auf der Strecke, und kann sie durch mehr Verdienst kompensiert werden?
Fragen, die sich in der heutigen Zeit immer häufiger aufdrängen und um die es auch in den folgenden beiden Geschichten geht, mit verblüffenden Antworten allerdings.
Ein Kaufmann aus Mexiko-Stadt wollte Freunde auf einer Hazienda besuchen. Es war eine etwas mühsame Reise, die Straße erwies sich als schlecht, teils durch ein kurz vorhergegangenes Unwetter abgeschwemmt, teils steil an Abgründen emporführend. Nur mit größter Aufmerksamkeit ließ sich ein Unfall vermeiden. Erschöpft kam unser Kaufmann endlich im Hochland an den Rand eines kleinen Dorfes und nahm sich vor, hier Rast zu machen. Ein Indio saß da vor seiner Hütte und war mit dem Flechten eines Korbes beschäftigt. Er arbeitete mit viel Geschick und verstand es obendrein auch noch, sein Produkt mit mehrfarbigen und feinen Mustern zu versehen.
Dem Kaufmann gefiel der Korb und er fragte nach dem Preis.
»50 Pesos, Señor«, antwortete der Mann. Das war billig , |150| und schon regte sich der Geschäftssinn unseres Kaufmanns . Er rechnete sich aus, dass er mit solchen Körben bei den Touristen in der Hauptstadt beachtlichen Gewinn erzielen könnte.
»Und was würden zwanzig Körbe kosten?«, fragte er den Korbflechter.
»100 Pesos das Stück, Señor«, war die Antwort.
»Aber wenn ich dir so viele abnehme, müsstest du doch billiger sein.«
»O nein, Señor, einen Korb machen – das ist Freude, Vergnügen, aber zwanzig Körbe machen – keine Freude, viel, viel Arbeit.«
Noch einen Schritt weiter scheint die Arbeitshaltung des indischen Teppichknüpfers Rama Tschandra in der folgenden Geschichte zu gehen, die als Vorlage für Heinrich Bölls bekannte Anekdote von der Senkung der Arbeitsmoral gedient haben könnte:
Rama Tschandra lag im Schatten vor seiner ärmlichen Hütte und hielt seinen Mittagsschlaf, als sich Besuch einstellte . Der Gast war ein
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