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Autobiografie eines Lügners

Autobiografie eines Lügners

Titel: Autobiografie eines Lügners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Chapman
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vortrug (»Graham Chapman ist nicht mehr, er ist gegangen, um vor seinen Schöpfer zu treten, er hat den Vorhang niedergehen lassen und sich jenem unsichtbaren Chor beigesellt«), weil, wie er sagte, Graham es ihm nie verziehen hätte, wenn das unterblieben wäre. Er schloß mit der Behauptung, der erste Mensch zu sein, der je bei einem Gedenkgottesdienst »fuck« gesagt habe.
    Die Fred Tomlinson Singers führten uns alle an, und wir sangen im Chor »Jerusalem« auf Japanisch, oder »Jelusarem«, wie Graham zu singen pflegte:

    Leicht mil meinen Bogen aus blennendem Gord,
    Leicht mil meine Pfeire des Velrangens,
    Leicht mil meinen Speel, o Worken, entfartet euch!
    Blingt mil meine Stleitkalosse aus Feuel …
    Tim Brooke-Taylor las die Massagesalon-Episode aus diesem Buch. Mike Palin, vergnügt wie immer, sprach davon, wie Graham immer zu spät kam: Jahrelang hatte Graham Michaels legendäre Nettigkeit ausgenutzt und sich von ihm »auf dem Wege« zur Probe mitnehmen lassen. Michael, zu nett, um »nein« zu sagen, schmorte zwanzig Minuten im Auto und kam stets mit einem alles andere als bedauernden Graham im Schlepp zu spät auf die Probe. Gelegentlich steckten während dieser Morgenwachen junge Männer den Kopf aus einem der oberen Fenster und sagten Sachen wie »Er kommt gleich runter« oder »Er ist fast fertig«, was Michael noch mehr erboste. Er gestand nun, er habe sich sowieso gefragt, was diese ganze Kiste mit dem zwanzigjährigen Jubiläum solle, aber Grahams Tod habe endlich ein bißchen Sinn hineingebracht. Und Graham, vertraute er uns an, sei, glaube er, auf sehr reale Weise heute bei uns im Saal. Also nicht direkt jetzt gerade, aber bestimmt in etwa zwanzig Minuten ….
    Graham Chapman war ein Irrer. Das merkt man an diesem Buch. Immerhin erforderte es vier Männer, um seine Autobiografie zu schreiben. Das ist nur recht und billig, da es vier Männer erforderte, um sein Leben zu führen. Da gab es den stillen, pfeiferauchenden Arzt im Tweedjackett, der dem Laien komplizierte medizinische Fakten erklären konnte, wobei er gleichzeitig still diagnostizierend Medikamente verteilte; da gab es den stillen, pfeiferauchenden Schriftsteller, der den ganzen Tag dasitzen, sich die Nägel mit Hektografier-Flüssigkeit anmalen und gelegentlich die seltsamsten Kommentare, heisere Schreie, Rufe (»Betty Marsden! Betty Marsden!«) und Anordnungen (»Singt ›Only Make-Believe‹ mit Piepsstimmchen!«) einwarf; da gab es den stillen, pfeiferauchenden Homosexuellen, der still in einem extrem bourgeoisen deutschen Vorstadthotel eine Gruppe chinesischer Knaben in den Frühstücksraum mitbrachte, was zu Anfällen seitens der Geschäftsführerin führte und mit dem Wunsch endete, er möge in ein passenderes Etablissement ziehen; und dann gab es da den stillen, pfeiferauchenden Alkoholiker, der jedes Gelage zum Tohuwabohu reduzieren konnte, indem er eine halbe Brennerei verputzte und dann auf dem Fußboden herumkrabbelte, alle Männer küßte und alle Frauen durchgrabbelte.
    Aber mit ihm hat es nicht nur Spaß gemacht. Er konnte in regelrechte Raserei geraten, besonders wenn man versuchte, ihm zu helfen. In unserer Bühnenshow kam er oft wegen seines Hangs zu einem schnellen Schlückchen zwischen den Nummern zu spät, und Mike Palin und Carol Cleveland mußten dann auf der Bühne auf ihn warten. Eines Abends beschlossen John und ich unabhängig voneinander, für ihn einzuspringen, anstatt uns dieses peinliche Schweigen des Publikums anzuhören, und waren recht bestürzt, als wir einander auf der Bühne gegenüberstanden. Wir übernahmen Grahams Rolle und spielten sie, einer hinter dem anderen, durch, bis Graham schließlich schnaufend und keuchend angetaumelt kam. Statt des stillen Dankesworts, das wir am Ende der Show erwartet hatten, war er vollkommen wütend auf uns, kreischte und schrie. Danach ließen wir es.
    Jonathan Lynn bemerkte, daß Graham der einzige wahre Anarchist bei Monty Python war. Er konnte wirklich nur im Chaos gedeihen. Glücklicherweise gab es bei Monty Python davon immer reichlich. Ich weiß noch, wie Graham, als wir die Fernsehserie drehten, als Biggles verkleidet in eine Bank huschte, um einen Scheck einzulösen. »Alles in Ordnung«, sagte er zu dem verdutzten Bankmenschen, »ich bin Arzt.«
    Es war wirklich als Brian, daß er seine beste Arbeit ablieferte. Erst frisch und schmerzhaft von seiner Alkoholsucht geheilt, warf er sich mit der für ihn typischen Hingabe auf die Rolle des Mannes, der

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