Autobiografie eines Lügners
hilfreich beim Erlangen einer offenen Einstellung gegenüber anderen Menschenwesen, stimmt’s?
Mir ging es nach der Party erheblich besser.
Aber es dauerte noch etwa zwei Jahre, bis ich es meinen Eltern sagen konnte, und das war ein sehr schwieriger Moment. Inzwischen hatte ich eine Wohnung in Belsize Park. Sie hatten die Wohnung besucht, inzwischen auch mit David telefoniert und wußten, daß er dort wohnte. Ich gab mir große Mühe, es so aussehen zu lassen, als hätte er ein separates Schlafzimmer, mußte ständig herumrennen und Sachen verstecken, als schliefe ich im Elternschlafzimmer in einem großen Doppelbett ganz allein, mußte dafür sorgen, daß keine Kopfabdrücke auf dem anderen Kopfkissen waren, buchstäblich auf solche Details mußte ich achten, denn meine Mutter hätte sie bemerkt –, wie alle Mütter. Natürlich hat meine Mutter als erstes beim Reinkommen ihren Mantel in mein Schlafzimmer gebracht, und ich wußte verdammt gut, daß sie rasch herumschnüffeln würde –, in allen Schränken, unter den Fußbodenbrettern nachsehen usw. Ich versuchte für gewöhnlich, darauf zu bestehen, daß ich ihr den Mantel ins Schlafzimmer bringe, aber sie machte trotzdem die Tür auf und witschte hinein.
Irgendwann wurde sie so wißbegierig, daß ich die Tür abschließen musste. Sie war immer schon ein ziemlicher Hercule Poirot gewesen. Ich erinnere mich, daß sie ein Verhütungsmittel in meiner Tasche fand, als ich etwa vierzehn war. Ich hatte das Ding nur gekauft, um zu sehen, wie es aussieht. Damals ging es darum, zum Friseur zu gehen und genug Mumm aufzubringen, eins zu verlangen, die Dreierpackung zu zwei Shilling neun Pence, glaube ich. Für meine vierzehn Jahre war ich ein großes Kind, deshalb wirkte es nicht allzu unnatürlich auf den Friseur, ich bekam die »Noch was gefällig?«-Behandlung, sagte: »Ja, gern«, gab ihm prompt die 3 / 9 und kriegte die Packung. Teilweise, vermute ich, wollte ich herausfinden, wie sie sich anfühlten. Und außerdem weiß man ja nie.
Unglücklicherweise fand Hercule Poirot eins in meiner Tasche, und folgerichtig hieß es: »Was ist das?«
»Ich glaube, vielleicht hat mir das ein Freund aus Jux in die Tasche gesteckt. Ich habe es noch nie gesehen.«
Der große Detektiv war ziemlich zornig und erklärte, daß der Mann von Mrs Woods gegenüber die Dinger benutzt, und sie hätten fünf Kinder –, hat ihnen also nicht viel genutzt, stimmt’s? Meine Erwiderung lautete: »Und wenn er gar keine benutzt hätte? Wieviele hätte sie dann gekriegt?«
Etwa ein Jahr, nachdem ich Sachen versteckt hatte, entschied ich, daß ich es ihnen einfach sagen mußte. So zu tun, als ob, war eine Verschwendung meiner Zeit, und sich Sorgen zu machen, war eine Verschwendung ihrer Zeit. Also sagte ich meiner Mutter, daß David mein, äh, »fester Freund« sei. Ich habe noch nie solche Wut, solche Tränen, solch Gestampfe kleiner Füße gesehen. Ich brauchte ziemlich lang, um sie zu beruhigen –, glücklicherweise war ich von reichlich Gin Tonic gefestigt und zutiefst davon überzeugt, daß alles seine Ordnung hatte. Ich war seit allem Anbeginn der Gay-Liberation-Bewegung in diesem Land dabeigewesen und hatte deshalb einen ziemlich genauen Schimmer, daß das, was ich tat, nicht falsch war, und daß die Liebe zu einem anderen Menschenwesen, egal welchen Geschlechts, ganz gewiß etwas Herrliches ist. Mehr war nicht nötig, und während sie ihren kleinen Anfall hatte, stand ich da wie ein Fels und sagte ihr, sie soll still sein, es hätte alles keinen Sinn, sie kenne David nun schon seit einigen Jahren, und keiner von uns habe dem anderen etwas zuleide getan. Trotzdem kreischte sie. Irgendwann beruhigte sie sich, und dann sagte ich: »Gut, dann sag ich’s mal Dad.«
Da fing sie gleich wieder an. »O nein, tu das nicht. Das bringt ihn um.«
»Nein, bringt es nicht, bringt es nicht.«
»Doch, bringt es wohl, bringt es wohl.«
»Es bringt ihn nicht um, natürlich nicht. Sei still. Ich werd’s ihm sagen.«
Aber irgendwann überredete sie mich, daß es vielleicht eine ungünstige Wirkung auf ihn haben könnte, und ich mußte ihr versprechen, ihm nichts zu sagen. Also fuhren sie nach Hause, und meine Mutter tat, als wäre überhaupt nichts geschehen. Sie verbrachte die nächsten sieben Nächte komplett schlaflos, bis er es irgendwann aus ihr herauszwang und sagte: »Sag mal, was ist denn zum Teufel mit dir los?« Sie erklärte es meinem Vater, und an dem perlte es ab.
Ich war auf dem Weg
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