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Autobiografie eines Lügners

Autobiografie eines Lügners

Titel: Autobiografie eines Lügners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Chapman
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kapierte. Er war mit Methadon gegen seine Sucht behandelt worden, aber die Rückfälle waren zahlreich, und das einzig Konstruktive, was ich für ihn hatte tun können, war, ihm zu zeigen, wie man sich korrekt spritzt, und ihn großzügig mit Einwegspritzen zu versorgen, um das Trauma für seine Venen zu verringern und Millionen böser kleiner Käfer aus seiner Blutbahn auszuschließen. (Ein Jahr später wurde er von seiner Sucht geheilt, während er in Deutschland arbeitete. Es wurde entdeckt, daß er süchtig war, und er wurde harsch, aber effektiv mit sofortigem kompletten Entzug behandelt. Die Wirksamkeit dieser grausamen, aber gefährlichen Kur sollte ich später, während der Tage von Kapitel Null, ausführlich bedenken ….)
    Aber um zu dem Punkt zurückzukehren, den wir in diesem Kapitel bereits einmal erreicht hatten, hatten mein Bruder und ich gerade die letzten Vorbereitungen für die Überweisung ins Krankenhaus getroffen, als das Telefon klingelte und eine Stimme sagte: »Ist da Dr Graham Chapman?«
    »Ja«, parierte ich.
    »Ah«, sagte die Stimme, »Sie stehen nur als ›Chapman, Dr G.‹ im Telefonbuch, ich wollte nur sichergehen. Ich habe hier einen jungen Mann, der ziemlich krank ist. Er hat hohes Fieber, aber er weigert sich, ins Krankenhaus zu gehen oder sich von meinem Arzt untersuchen zu lassen. Er sagt, er kennt Sie. Sie haben ihm mal ein Autogramm gegeben. Er sagt, von Ihnen würde er sich untersuchen lassen.«
    »Wie heißt er denn?«
    »Der Name wird Ihnen nichts sagen, aber er heißt Richard Milner.«
    »Sie hatten recht«, sagte ich der Stimme, und das Beste wäre, ihn gut einzuwickeln und herzubringen, da wir offenbar an jenem Abend in meiner Wohnung ohnehin eine chirurgische Mini-Praxis unterhielten. Eine halbe Stunde später erschien er, ein gutaussehender junger Mann, der sich als John Tomiczek vorstellte. Ich hatte ihn vor einem Restaurant in Kensington gesehen, das lange dunkle Haar, der Oliventeint, hellblaue Jacke mit Pelzbesatz und eine blau-braune Hose halfen meinem Gedächtnis auf die Sprünge. Ich führte ihn ins Wohnzimmer und trieb kurze Anamnese. Er war siebzehn Jahre alt; aus Liverpool bei einem Freund in London zu Besuch, bei dem er auch wohnte, während er darauf wartete, bei einer Schuhfirma eine Art Praktikum anzutreten. Er hatte zwei ähnliche Fieberanfälle in Intervallen von etwa einem Monat gehabt, aber dies war bisher der schlimmste. Außerdem klagte er über Müdigkeit, allgemeine Muskelschmerzen und Kopfweh.
    Mein Bruder untersuchte ihn, stellte eine Vergrößerung der oberflächlichen Lymphknoten fest und erwog Drüsenfieber (oder infektuöse Mononukleosis, falls Ihnen das lieber ist, obwohl ich nicht weiß, warum Ihnen das lieber sein sollte), die wahrscheinlichste Diagnose. Das Fieber in monatlichen Intervallen klang bedrohlicher, erinnerte jedoch an ein Pel-Ebstein-Fieber, wie es bei schlimmeren Fällen der Hodgkin-Krankheit (Lymphadenom – oder meinetwegen auch Lymphogranulomatose –, falls Ihnen die lieber ist!) angetroffen wird. Wir entschieden, daß eine sofortige Einweisung ins Krankenhaus weise wäre, und mit Hilfe Seiner Allerdurchlauchtigsten Effizienz Dr A. R. Bailey schafften wir ihn ins Royal Northern Hospital, allwo ihn Bettruhe und die angemessenen klinischen Tests erwarteten.
    Die Tests bestätigten die Diagnose Drüsenfieber und zeigten, daß er eine ganz schön ernste Infektion gehabt hatte, welche die Leber in Mitleidenschaft gezogen hatte.
    Zwei Wochen später rief mich die Krankenwagenbereitschaft an und sagte: »Wir haben hier einen John Robert Tomiczek, der uns nur Ihre Adresse gegeben hat –, und weil Sie ihn eingeliefert haben, wo sollen wir ihn hinbringen?« In Wirklichkeit klangen sie noch etwas beschäftigter.
    »Bringen Sie ihn her«, sagte ich und dachte: »Wir können das dann in aller Ruhe klären ….«
    John kam an und sah tatsächlich besser aus, obschon immer noch bleich und schwach. Wir hatten jetzt, da Brendan uns verlassen hatte, ein Zimmer übrig, und John hielt sich, was seinen Freund, bei dem er wohnte, Richard Voice, betraf, so zurück, daß ich dachte, bevor wir ihn losziehen lassen und er in die Kneipen einfällt und seiner Leber zusätzlichen Schaden zufügt, wäre vielleicht eine kurze Rekonvaleszenz bei uns geraten.
    Ich befragte ihn nach seiner Familie und seinem Hintergrund, aber wegen seines starken Liverpooler Akzents und einer Fähigkeit, sich, sobald er verhört wurde, schlechter zu fühlen, dachte

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