Autobiografie eines Lügners
›Ich mache nur einen kleinen Spaziergang‹, obwohl wir natürlich beide wußten, daß er sich als Last für uns empfand.« Ti hi hi, dachten sie beide, bis sie es nicht mehr dachten ….
… und fast genauso plötzlich wurde alles weiß, und wir arbeiteten uns weiter auf dem Kamm vorwärts, zur Sicherheit bei dem starken Wind oft rittlings drauf sitzend, zu jeder Seite ein Bein hinunterhängend. Wir kamen voran; langsam, aber sicher, und ich war dankbar für die Wolke; wenn jemand aus der Seilschaft gesehen hätte, wie tief es auf beiden Seiten hinunterging, wäre die Seilschaft so besorgt gewesen wie ich.
Wir kamen ans Ende des ersten Teils des Kamms, und es ging leichter weiter, aber ich fand, wir sollten unseren ursprünglichen Plan aufgeben und früher absteigen. Ich dachte an die Sicherheit und die Kneipenöffnung.
Ich beschloß, eine direktere Route eine Schlucht hinunter zu unserer Linken zu nehmen. Um den Abstieg zu beschleunigen, machte ich die gesamte Seilschaft für das Gekletter den Schneehang hinunter vom Seil los. John dachte: »Was für eine Erleichterung, es ist alles überstanden, der gefährliche Teil liegt hinter uns«, sprang uns voraus. Ich stoppte ihn, und wir seilten uns alle wieder an. Ich wußte, daß stetiges Vorrücken besser war als Hast, denn das, was am Grunde dieser engen Schluchten im Sommer ein Wasserfall ist, wird im Winter ein Miniaturgletscher. Genau, als wir unten an die Stelle kamen, wo der Wasserfall hätte sein sollen, war da eine Eisscholle …. Ich mußte sorglos 68 Stufen hineinhacken. Wir brauchten etwa anderthalb Stunden, um es den Eishang hinunterzuschaffen, aber sobald wir unten waren, befanden wir uns fast auf der Schneegrenze: verstreute Flecken von Schnee und Fels über Geröll.
Auf leichterem Boden machten wir uns vom Seil wieder los. Wir konnten sogar bereits die Pyg-Strecke etwa hundert Meter unter uns sehen. John bewegte sich wieder viel zu schnell davon, und ich rief ihm nach, er solle langsamer machen. Unglücklicherweise hatte er bereits soviel Schwung, daß er nicht anhalten konnte, er stolperte und überschlug sich etwa zwölf Meter weit den Berg hinunter. Dabei schnitt er sich die Stirn auf und zog sich Abschürfungen an der Brust und ein möglicherweise gebrochenes linkes Bein zu.
Wir kletterten zu ihm hinunter und versuchten ihn zu tragen, aber die Schmerzen im Bein wurden bald unerträglich für ihn. Ich blieb bei ihm, wickelte ihn in die weltraumerprobten Decken ein, klebte ihm Heftpflaster auf die Stirn und schickte David und Andrew mit unserem Karteneintrag nach unten, damit sie das Bergrettungsteam holen konnten.
Das Wetter war zu schlecht für den Hubschrauber, und deshalb mußten wir auf das Bergrettungsteam der Royal Air Force warten, das zu Fuß kommen sollte. Obwohl wir viel weiter unten auf dem Berg waren als zuvor, war es immer noch äußerst kalt, und inzwischen war es dunkel geworden: Starker Wind und Schneetreiben ließen alles noch gefährlicher erscheinen.
Ich hatte eine Taschenlampe und eine Pfeife und begann, S.O.S. zu signalisieren, aber John und ich mußten vier Stunden warten, bevor ein Zeichen von Rettung erkennbar war. Eine andere Seilschaft, auf die unsere Beschreibung einigermaßen paßte – zwei Männer, einer jung, mit gebrochenem Bein –, war unter uns abgestürzt. Die R.A.F. sammelte sie ein und glaubte, sie hätte uns gerettet. Hatte sie aber nicht.
Das Team kam zur Basis zurück und wurde von einem besorgten David und einem besorgten Andrew erwartet. »Alles klar, wir haben sie«, sagte die R.A.F. David sah die Gesichter an und sagte: »Das ist nicht Graham, und das ist auch nicht John.« Die R.A.F. machte sich wieder auf, und David kam mit, um ihr die Abstiegsroute zu zeigen.
Vier Stunden irgendwo auf dem Berg bei Minustemperaturen im Dunklen wirken sich auf Moral und Kraft ungünstig aus. John ging es gar nicht so schlecht, weil andere Bergsteiger beim Absteigen angehalten und zusätzliche Decken beigesteuert hatten. Ich machte mir Sorgen. Ich pfiff und blinkte weiter in Intervallen, wie man das tun soll, und wartete auf ein Antwortsignal. Wunderbar. Ich hörte sie tief unter uns und links von uns pfeifen. Ich pfiff noch lauter. Ein herrlicher Moment, dies: Ich hörte von ferne einen Ruf –, sie mußten mein Licht gesehen haben. Ich sah, wie ihr Licht schnell mein Blinken wiederholte. Das war fanverdammtescheißenochmaltastisch.
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