Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Erscheinungsformen in der Welt änderten sich stetig. Der Gedanke ließ sie erschauern.
»Zwei – Gott und Göttin, männlich und weiblich, Helligkeit und Dunkelheit, alle Gegensätze, die sich treffen, sich trennen und wieder vereinigen.« Sie sprach die Worte gedankenlos vor sich hin und stockte dann.
Noch eine Woche, dann würden sie das Beltane-Fest feiern, die Feuer des Bei entzünden. Auf diesem Fest vereinigen sich Mann und Frau, um die Macht des Herrn und der Herrin in die Welt zu bringen. Nur jene Priesterinnen, die um der höheren Magie willen ewige Jungfräulichkeit geschworen haben, bleiben dem Fest fern.
Sie warf einen flüchtigen Blick auf Ardanos, der auf der anderen Seite der kreisförmigen Baumreihe saß, und spürte, wie ihr Blut in Wallung geriet und ihre Wangen rötete.
Selbst über die Entfernung hinweg konnte sie sein Verlangen nach ihr spüren. Wenn die Kälte des Winters alle Feuer dämpfte, fiel es leicht, das körperliche Verlangen zu ignorieren, aber wenn die Sonne in jedem Blatt und Grashalm neues Leben entfachte, dann wurde ihr bewusst, dass sie jung war – und verliebt.
»Drei – das Göttliche Kind. Geboren aus der Vereinigung. Und dreigesichtig ist die Göttin, die der Welt das Leben schenkt.« Die Frühlingssonne schillerte durch die jungen Blätter, krönte die Schüler mit Licht. Coventas helles Haar schimmerte silbergolden, und hinter ihr erhaschte sie einen Blick auf ein geneigtes, flammend leuchtendes Haupt, das nur das von Boudicca sein konnte.
Waren diese Kinder die einzigen, die Lhiannon je haben würde? Abermals warf sie einen Blick auf Ardanos. Ein schöner Traum, ihm Nachkommen zu gebären, aber sie hatte sich nie viel aus kleinen Kindern gemacht. Körper sollten die anderen hervorbringen – Geist und Seele zu hegen, das war hier auf Mona ihre Aufgabe und die von Ardanos.
Und dennoch … sie wünschte sich auf den Orakelstuhl der unsichtbaren Gottheit, hoch durch die Himmel schwebend, dann aber wieder in seine drahtigen, kräftigen Arme. Die älteren Druiden lehrten, dass man sich entscheiden müsse zwischen Körper und Seele. Lhiannons Lippen bewegten sich leise mit, während der Gesang weiter erklang, doch ihre Gedanken waren weit weg.
Als die jungen Zöglinge zurück nach Oakhalls marschierten, konnte Lhiannon hören, wie sie über die eben gesungenen Liedtexte sinnierten. Vor allem Boudicca schien besonders gedankenvoll. Wurde auch langsam Zeit. Nach etwas mehr als einem Jahr benahm sich das Mädchen manchmal noch immer wie … eine römische Barbarin auf Besuch. Doch Boudicca war vergessen, als sie plötzlich neben sich eine Wärme spürte, den Kopf drehte und Ardanos erblickte. Ihr ganzer Körper geriet in Wallung, als er ihre Hand nahm.
»Wenn ich den Himmel richtig deute, dann steht das Beltane-Fest unmittelbar bevor …«, sagte er mit weicher Stimme. »Wirst du mit mir tanzen, wenn sie das Festfeuer entzünden?«
Wirst du dich mit mir vereinigen? – Diese Worte musste er nicht laut aussprechen.
Wenn eine Frau sich mit einem Mann vereinigt, so sagen die Priester, dann verändert sich der Energiefluss im Körper und blockiert die Kanäle, durch die der göttlichen Weissagung nach die Macht fließt. Aber hatte Lhiannon überhaupt Aussichten, auf den Stuhl der göttlichen Weissagung zu gelangen, solange Helve der Liebling der Priester war? Die Energie, die zwischen Mann und Frau fließt, gebiert eine andere Art von Macht. War sie eine Närrin, wenn sie der Ekstase entsagte um einer Gelegenheit willen, die sie vielleicht nie bekommen würde?
Sie konnte nicht sprechen, drückte jedoch fest seine Hand und wusste – ihr Körper hatte erwidert.
»Aber Mädchen spielen kein Hurley! Die lassen dich nie aufs Spielfeld, Boudicca!«, rief Coventa, rannte hinter Boudicca her und versuchte, sie am Ärmel zu fassen. Vom Spielfeld her drang lautes Johlen, als einer der Spieler den lederummantelten Ball mit dem breiten Schlagende seines Stockes aus Eschholz auffing und ihn hoch über das Tor hinausschlug.
Boudicca wäre am liebsten weiter davongestapft, während das kleinere Mädchen hinter ihr herstolperte. Mit fünfzehn war sie fast schon ausgewachsen.
»Mit diesem Spiel lässt man Krieger üben«, sagte Coventa, als sie wieder zu Atem kam. »Früher haute man mit so einem Schläger nicht auf einen kleinen Ball ein, sondern auf den Schädel eines Feindes.«
»Weiß ich!«, konterte Boudicca schroff. »Auch in meinem Stamm spielt man Hurley. Druiden aber
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