Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
kämpfen gar nicht. Wozu spielen sie es dann? Egal, in Eriu jedenfalls ziehen auch Frauen in den Krieg.«
Coventa blinzelte und versuchte, die Logik hinter Boudiccas Worten zu erfassen, während diese erneut davonlief. Da die Druiden schon lange erkannt hatten, dass ein gesunder Geist am besten in einem gesunden Körper gedeiht, hatte man eine große Wiese nahe Oakhalls zu einem Spiel- und Sportplatz umfunktioniert. Wenn dreißig Jungs dem Ball unter vollem Körpereinsatz und mit knapp ein Schritt langen Eschholzstöcken nachjagten, dann konnte es fast so gefährlich werden wie auf einem richtigen Schlachtfeld. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand ausscheiden musste.
»Na, prima …«, sagte Coventa und ließ sich aufs Gras sinken. »Du machst ja sowieso immer, was du willst.«
Ein lauter Ruf von Ardanos hatte die Kämpfer auseinandergebracht, die sich sodann zu neuen Mannschaften gruppierten und ihre jeweiligen Tore über die Mittellinie hinweg ins Auge fassten. Der junge Priester warf den Ball hoch und sprang hurtig aus dem Schussfeld, als die beiden Mannschaften aufeinander zustürmten.
Boudiccas Blick schweifte in die Ferne. Jenseits der Meerenge konnte sie die großen, höckerigen Umrisse der Berge erkennen – wie ein Mauerwall am Horizont. Waren sie Schutzmauern oder eher Gefängnismauern? Sich für immer an einen Mann zu binden würde bedeuten, sich von einer Gefangenschaft in die nächste zu begeben. Aber wollte sie das wirklich? Für immer hierbleiben? Als Lehrmeisterin? Oder mit irgendeinem Stammesführer in sein Dorf ziehen? Oder auf der Insel Avalon, im Sumpfland des Sommerlandes, der Göttin dienen?
Sie wich zurück, als der Ball mitten aus dem balgenden, verkeilten Haufen von Jungs und Stöcken auf sie zugeschossen kam. Bendeigid, einer von Ardanos’ Schülern, drosch den Ball in Richtung eines dunkelhaarigen Jungen vom Stamm der Trinovanten namens Rianor, der ihm sogleich mit schwingendem Schläger nachsetzte. Sein erster Schlag verfehlte den Ball, doch der zweite katapultierte den Ball direkt in Richtung der beiden Steineichen, die das Tor markierten.
Wie gut, dass ein Ball nicht zurückhauen kann, dachte Boudicca bei sich. Denn wäre der Ball ein Feind mit einem Schwert, dann wäre Rianor tot, bevor er überhaupt zu einem zweiten Schlag ausholen könnte.
Sie versuchte, eine Taktik oder Strategie zu erkennen – doch wenn eine der beiden Mannschaften eine hatte, dann war sie nicht offensichtlich. Und das wiederum erinnerte sie an die Art und Weise, wie man in ihrem Stamm Krieg führte. Das Spiel wurde immer verbissener, und plötzlich schrie jemand wie am Spieß. Ardanos unterbrach das Spiel, und die Spieler standen keuchend um die sich am Boden krümmende Gestalt herum.
Mit Müh und Not rappelte sich der verletzte Junge auf, war schlohweiß im sommersprossigen Gesicht, blieb zusammengekauert sitzen und hielt sich den Fuß mit beiden Händen. Er hieß Beli und gehörte zur Mannschaft von Rianor. Boudicca stand auf. Ihr Herz pochte wie wild.
»Bringt ihn zu den Heilern«, sagte Ardanos mit einem hörbaren Seufzer. »Und solange ihr keinen Ersatz für ihn herbeizaubern könnt, war’s das vorerst mit dem Spiel.«
Unter den Jungs hob empörter Protest an, und durch die Zuschauermenge ging ein enttäuschtes Raunen. Gewöhnlich dauerte ein Spiel so lange, bis eine der Mannschaften zehn Tore erzielt hatte oder bis die Sonne unterging. Neun bunte Stofftücher flatterten bereits an den Torbaumpfosten von Rianors Mannschaft, und neun waren es auch auf der gegnerischen Seite. Boudicca krempelte ihre Röcke hoch und marschierte aufs Spielfeld.
»Ich spiele für ihn«, sagte sie klar und bestimmt. Alle verstummten und starrten sie an.
»Du bist doch ein Mädchen«, sagte Rianor schließlich.
Irgendwer kicherte, war aber gleich wieder still. Boudicca zuckte mit den Achseln. »Ich bin größer als die meisten der Jungs in deiner Mannschaft. Klar, wenn ihr nichts wagen wollt, dann könnt ihr eure Niederlage auf den ausgeschiedenen Spieler schieben. Aber wenn ihr Mut beweisen wollt, dann probiert es mit mir!«, sagte sie und hielt dem Blick seiner dunklen Augen unverwandt stand, in denen plötzlicher Kampfgeist aufflackerte.
»Warum nicht?« Er grinste und hob dabei die Hand, als wolle er würfeln.
Ardanos blickte zu Cloto, einem stämmigen Burschen und Anführer der gegnerischen Mannschaft.
»Mir soll’s recht sein.« Er lachte höhnisch. »So weiß ich wenigstens, dass wir gewinnen
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