Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
erwiderte leise: »Ich auch nicht«, und meinte es aus ganzem Herzen.
Ich wollte, es wäre geschehen…
Der Mond würde nicht zu sehen sein. Aber der Mond wechselte genau zwei Stunden nach Sonnenuntergang. Bis dahin waren es noch drei Tage. Sie spürte die zurückweichende Flut wie eine schwere Krankheit in ihrem Blut. Das Leben schien aus ihren Adern zu weichen. Nimue verbrachte den größten Teil der drei Tage in ihrem Gemach. Sie erklärte der Königin, sie fühle sich krank, und das entsprach beinahe der Wahrheit. Sie spielte allein für sich auf Kevins Harfe, meditierte und erfüllte die Luft mit dem magischen Band zwischen ihr und Kevin.
Es war eine äußerst ungünstige Zeit, und Kevin wußte es ebenso wie sie. Aber das Versprechen ihrer Liebe hatte ihn so geblendet, daß er sich keine Gedanken darüber machte. Der Morgen graute. Heute würde sich der Mond verdunkeln. Nimue spürte es am ganzen Körper. Sie hatte einen Kräutertrank bereitet, der die Neumondblutung verhindern würde… Sie wollte ihn nicht durch den Anblick ihres Blutes abschrecken oder ihm die Tabus von Avalon ins Gedächtnis rufen.
Sie
mußte sich zwingen, nicht an die körperliche Seite der Vereinigung zu denken. Trotz all ihrer Ausbildung wußte Nimue, sie war wirklich die nervöse Jungfrau, die sie zu sein vorgab. Um so besser, dann mußte sie ihm nichts vorspielen. Sie konnte einfach sein, was sie war – eine junge Frau, die sich zum ersten Mal einem Mann hingab, den sie liebte und begehrte. Und was danach geschehen würde – sie tat, was die Göttin ihr aufgetragen hatte.
Nimue wußte kaum, wie sie den Tag überstehen sollte. Noch nie war ihr das Geschnatter der Hofdamen so unerträglich leer und bedeutungslos erschienen. Am Nachmittag brachte sie es nicht über sich zu spinnen. Deshalb holte sie die Harfe, die Kevin ihr geschenkt hatte, und spielte und sang für die anderen Frauen. Aber es fiel ihr nicht leicht, denn sie mußte alle Lieder aus Avalon vermeiden, und gerade sie gingen ihr durch den Kopf. Aber auch der längste Tag geht einmal zur Neige. Nimue wusch sich und rieb ihren Körper mit Duftwasser ein.
Sie saß neben Gwenhwyfar in der Halle beim Mahl und aß kaum. Die groben Tafelsitten, die Hunde unter dem Tisch machten sie krank; sie ekelte sich. Sie sah Kevin unter den Ratgebern des Königs. Er saß neben dem Hauspriester, dem Beichtvater einiger Hofdamen. Er hatte sie bedrängt und sich erkundigt, warum sie nicht seinen geistlichen Beistand suche. Als sie ihm antwortete, sie brauche keinen geistlichen Rat, sah er sie stirnrunzelnd an, als sei sie eine große Sünderin. Kevin… Sie spürte beinahe seine hungrigen Hände auf ihrer Brust, und sie glaubte, seine beredten Blicke, die er ihr zuwarf, müßten hörbar sein.
Heute nacht, heute nacht, meine Geliebte. Heute nacht… Oh, Göttin, wie kann ich das dem Mann antun, der mich liebt? Er hat seine Seele in meine Hände gelegt… Ich habe es geschworen. Ich muß meinen Eid halten, oder ich bin eine Verräterin.
Als die Hofdamen der Königin sich in ihre Gemächer begaben, begegneten sie sich kurz in der unteren Halle. Kevin flüsterte ihr schnell zu: »Ich habe dein und mein Pferd vor dem Tor im Wald versteckt. Danach…«, seine Stimme bebte, »… danach bringe ich dich, wohin du willst, Nimue.«
Du weißt nicht, wohin ich dich führe.
Aber zur Umkehr war es zu spät. Mit tränenerstickter Stimme antwortete sie: »Oh, Kevin, ich… ich liebe dich.« Nimue wußte, sie sprach die Wahrheit. Sie hatte sich so tief in sein Herz gegraben… sie wußte nicht und konnte sich nicht vorstellen, wie sie es ertragen sollte, sich von ihm zu trennen. Die Nachtluft
schien vom Zauber erfüllt zu sein. Nimue glaubte, alle müßten das Beben der Luft und die Dunkelheit sehen, die über ihr schwebte.
Die anderen mußten glauben, sie habe eine Besorgung zu erledigen. Sie erzählte den Frauen, die mit ihr das Gemach teilten, sie habe der Frau eines Kammerherren ein Mittel gegen Zahnschmerzen versprochen. Es würde lange dauern, bis sie zurückkam. Sie zog ihren dunkelsten, dicksten Umhang über und band sich den kleinen Dolch ihrer Priesterweihe unter dem Gewand um die Hüfte. Dann machte sie sich auf den Weg. In einer dunklen Ecke blieb sie stehen, nahm den kleinen Dolch ab und steckte ihn in einen Beutel… was auch geschah, Kevin durfte ihn nicht sehen.
Sein Herz würde brechen, wenn ich die Verabredung nicht einhalten würde. Er ahnt nicht, welches Unheil ihm dadurch erspart
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