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Avalon 08 - Die Nebel von Avalon

Titel: Avalon 08 - Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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doch nur eine Zauberin oder eine Priesterin wäre wie Viviane. Igraine war mit den Geschichten über das Böse großgeworden, das entstand, wenn man sich der Zauberei bediente, um den Göttern den eigenen Willen aufzuzwingen. War es also gut, zuzulassen, daß Uther in einen Hinterhalt geriet und seine Männer erschlagen wurden?
    Sie beruhigte sich damit, Uther habe Spione und Späher, und er brauche nicht die Hilfe einer Frau. Trotzdem war Igraine rastlos. Es mußte etwas Besseres geben, als auf der Burg zu sitzen und abzuwarten.
    Wenige Wochen vor der Nacht zur Wintersonnenwende erhob sich ein Sturm, der zwei Tage lang tobte, und zwar so heftig, daß Igraine wußte, daß auf der Heide im Norden nichts überlebt hatte, das nicht wie ein Kaninchen in seinen Bau geflüchtet war. Selbst in der starken, sicheren Burg scharten sich die Menschen um die wenigen Feuerstellen und lauschten zitternd auf den heulenden Wind. Durch Schnee und Hagel blieb es tagsüber so dunkel, daß Igraine nicht einmal genug Licht hatte, um zu spinnen. Der Vorrat an Fackeln schmolz so schnell dahin, daß man sparen mußte, denn vor ihnen lag noch ein langer Winter. Deshalb saßen die Bewohner von Tintagel meist im Dunkeln; Igraine erinnerte sich an die alten Geschichten von Avalon, um Morgaine zu unterhalten und Morgauses Unmut zu vertreiben.
    Einmal, als das Kind und das junge Mädchen schließlich eingeschlafen waren, fühlte Igraine eine merkwürdige Spannung in sich, die sie wach hielt. In ihren Mantel gehüllt, saß sie vor der erlöschenden Glut des kleinen Feuers und starrte mit schmerzenden Augen in die Dunkelheit. Sie versuchte, mit ihren Gedanken die Meilen zu überwinden, die zwischen ihnen lagen… aber wohin? Etwa zu Gorlois, um herauszufinden, wo er seinen Verrat plante? Denn es war Verrat! Er hatte Uther, seinem Großkönig, Treue geschworen, aber aus Mißtrauen und Eifersucht sein Wort gebrochen. Sie dachte an den König von Britannien und versuchte, sich vorzustellen, wie er in dem fremden felsigen Heideland sein Lager aufschlug, das der Sturm verwüstete. War er vielleicht vom Wege abgekommen und verloren? Wie konnte sie Uther erreichen? Sie versuchte, sich an die wenigen Zauberkünste zu erinnern, die sie als Mädchen in Avalon gelernt hatte. Dort lehrte man sie, daß Körper und Seele nicht fest miteinander verbunden sind. Denn im Schlaf verläßt die Seele den Körper und wandert in das Land der Träume, in dem alles Trug und Täuschung ist. Aber manchmal gelangt der von den Druiden Geschulte auch in das Land der Wahrheit, wohin der Merlin sie einmal im Traum geführt hatte.
    … Als Morgaine geboren wurde und die Schmerzen kein Ende nehmen wollten, hatte Igraine einmal für kurze Zeit ihren Körper verlassen. Einen Augenblick lang sah sie ihren Leib dort unten liegen, eine zerschundene Hülle, an der sich die Hebammen zu schaffen machten, und dem ihre Kammerfrauen zu helfen versuchten. Sie dagegen schwebte frei von Schmerzen und erfüllt von einem Hochgefühl irgendwo darüber. Dann hatte sich jemand über sie gebeugt und ihr eindringlich gesagt, sie müsse sich jetzt sehr bemühen, denn der Kopf des Kindes sei bereits zu sehen. Sie war in ihren Körper zurückgekehrt, zu neuen Schmerzen und größter Anstrengung. Und sie hatte alles vergessen. Aber was ihr damals gelungen war, konnte sie auch heute! Igraine zitterte trotz ihres Umhangs. Sie starrte ins Feuer und befahl sich plötzlich,
anderswo
zu sein… Und es gelang ihr. Igraine schien vor sich selbst zu stehen und wußte,was geschah. Die größte Veränderung war jedoch die, daß sie den wild heulenden Sturm nicht mehr hörte, der die Burg umbrauste. Igraine schaute nicht zurück – sie wußte, man durfte nie zurückblicken, wenn man den Körper verlassen hatte, da sonst der Leib die Seele wieder an sich zog –, aber auf irgendeine Weise konnte sie ihre Umgebung auch ohne Augen sehen. Sie wußte, daß ihr Körper immer noch bewegungslos vor dem erloschenen Feuer kauerte. Nachdem sie schon soweit gegangen war, überfiel sie Furcht, und sie dachte:
Zuerst sollte ich mich um das Feuer kümmern.
Doch sie wußte auch, wenn sie jetzt in ihren Körper zurückkehrte, hätte sie nicht mehr den Mut, das Ganze noch einmal zu wagen.
    Sie dachte an Morgaine, das lebende Band zwischen ihr und Gorlois – selbst wenn er das Kind jetzt zurückwies und abfällig über seine Tochter sprach, so bestand dieses Band doch, und deshalb konnte sie Gorlois finden, wenn sie ihn nur suchte.

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