AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
sonst. Nicht nur den Leib, auch das Herz des Mädchens wollte sie und nicht nur, weil ihr Triumph über Jermyn vollkommen gewesen wäre.
Es war gut, die Liebe eines Menschen zu erringen, und weil sie liebte, war sie ängstlich – Ninians Ablehnung wäre schwerer zu ertragen als die einer eleganten Hetäre oder eines mondänen Dämchens.
Aber sie war so jung, so begehrenswert – die Hitze in LaPrixas Schoß wuchs. Tiefer glitten ihre Hände über die Schultern des Mädchens, es zuckte nicht zurück, sondern räkelte sich wohlig unter ihnen. LaPrixas Herz schlug hart und schwer in ihrer Brust. Vielleicht brauchte sie die Phiole nicht, vielleicht gelang es auch so.
»LaPrixa ...«
Die Frau fuhr zusammen, als sie die süße, ein wenig schläfrige Stimme durch das heftige Pochen des Blutes in ihren Ohren vernahm.
»Ja?« Ihre Zunge klebte am Gaumen, sie brachte das Wort kaum heraus.
Als Ninian in das Wasser eintauchte, fiel das Gewicht ab, das den ganzen Tag über auf ihren Gliedern gelastet hatte und zerfloss in der sanften Wärme. Schweiß und Schmutz wurden weggeschwemmt und die Tränen, die sie so krampfhaft zurückgehalten hatte, liefen unter ihren geschlossenen Lidern hervor über ihre Wangen. Sie schmeckten salzig und bitter und als sie versiegten, fühlte sie sich leer und frei.
Erst LaPrixas Frage nach den Flecken weckte sie aus dem milden Dämmerzustand, in den ihre Hände sie versetzt hatten. Die Liebeswunden erinnerten sie an Jermyn und überrascht merkte sie, dass sie ihm nicht mehr grollte. Das heilende Wasser hatte nicht nur ihren Körper gereinigt, es hatte auch die vergifteten Gedanken und Gefühle fortgespült und plötzlich erfüllte sie tiefe, reine Freude.
Wie gut, dass es ihn gab und wie töricht, sich wegen dieses Bademädchens zu grämen – beinahe hätte sie laut aufgelacht. Hatte sie in den letzten Wochen nicht erfahren, wie sehr er ihr verfallen war? Was bedeutete dagegen die Tändelei mit Bysshe? Bysshe war nichts, sie war verschwunden, als habe es sie nie gegeben. Jermyn gehörte ihr allein.
Der Wunsch von ihm fortzugehen, schien ihr närrisch ebenso wie der Gedanke an andere Männer. Sie wollte nur ihn, mit ihm klettern, ja, selbst Häuser ausrauben, wenn es denn sein musste. Wenn sie dafür in seinen Armen liegen konnte und seinen Mund spüren, seine Hände, seinen Leib ...
Sie hätte schreien mögen vor Glück. Leise plätschernd bewegte sie die Beine in dem herrlichen Wasser. Alles war gut, dieses Wunderbad hatte die Welt gerade gerückt.
Eine solch friedvolle Ruhe hatte sie sonst nur an einem Ort gefunden. Tiefe Dankbarkeit für LaPrixa ergriff sie und sie sprach aus der Überfülle ihres Herzens.
»Du erinnerst mich an meine Mutter.«
»Was? An deine Mutter?«
Entgeistert nahm LaPrixa die Hände von den Schultern des Mädchens. Sie hatte das zärtliche Lächeln auf Ninians Gesicht, die wohligen Bewegungen bemerkt und geglaubt, es sei ihr gelungen, die Lust in dem Mädchen zu wecken. Kindliche Erinnerungen hatte sie nicht hervorrufen wollen.
»Oh, nicht an meine richtige Mutter, an meine zweite Mutter. Du ähnelst ihr.«
»Na, prächtig, ich erinnere dich an deine Stiefmutter oder was?«, fragte die Hautstecherin unwirsch, um ihre Enttäuschung zu verbergen.
»Nein, nicht meine Stiefmutter, an die Erdenmutter. Sie hat mich sozusagen als Tochter angenommen, weißt du. Bei ihr fühle ich mich genauso geborgen und behaglich wie bei dir.«
Ninian nickte zufrieden, LaPrixas ungläubiges Starren bemerkte sie nicht.
»Warte, warte! Die Erdenmutter – was heißt, die Erdenmutter?«
»Die Herrin der Erde und der Erdenkräfte. Sie sitzt in der Herzkammer im Erdinneren, an den Großen Wurzeln, und da hab ich sie oft besucht. Sie ist so dunkel wie du und so groß.«
Ihre Stimme verklang, aber LaPrixa ließ nicht locker.
»Du meinst, du bist die Tochter ...«
»Angenommene Tochter«, verbesserte Ninian.
»... die angenommene Tochter der Allmutter?«
»Ist das dein Name für sie? Ja, das bin ich wohl.«
LaPrixa schüttelte entschieden den Kopf.
»Du träumst! Die Dämpfe haben dir den Kopf vernebelt!«
Ninian sah in das dunkle Gesicht über sich.
»Findest du das Ding da schön?«, sie deutete auf einen groben Steinklotz, der etwa zwei Handbreit hoch mitten im Raum aus dem Boden ragte. LaPrixa zuckte ungeduldig die Schultern.
»Was hat das damit zu tun? Natürlich ist das nicht schön, aber er ist nicht wegzubringen, ohne den ganzen Fußboden zu zerstören. Die
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