AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
versucht, in der letzten Zeit nur von der Liebe zu leben und glaub mir, auf die Dauer ist das zu wenig. Warte hier!«
Ninian kicherte, aber sie ließ sich ohne Widerrede hinter den Wandschirm führen.
»Rühr dich nicht von der Stelle«, befahl die Hautstecherin und verließ den Baderaum.
Wenig später saß Ninian mit einem kleinen Tablett auf den Knien auf der Liege. Mit plötzlich erwachtem Heißhunger verschlang sie eine Schüssel Grütze mit einem fremdartig gewürzten Ragout aus feingehacktem Fleisch, Zwiebeln und getrockneten Früchten. Daneben stand eine flache Schale mit dreieckigen grünen Schoten in einer öligen, pfeffrigen Tunke, die sie neugierig probiert hatte und denen sie nun ebenfalls eifrig zusprach. In einem hohen Becher duftete aromatischer Tee und allmählich verschwand der durchsichtige Ausdruck von ihrem Gesicht.
»Tut mir leid, dass nichts anderes in der Küche war«, meinte LaPrixa, die ihr zusah, »das sind Gerichte aus meiner Heimat. Sie werden deinem Gaumen fremd sein.«
»Ich esse fast alles, frag Jermyn. Er macht sich lustig darüber, dass ich vor nichts zurückschrecke. Oh«, unterbrach sie sich schuldbewusst, »das war dein Abendessen, nicht wahr?«
Die Hautstecherin grinste.
»Ja, aber es ist schon recht, ich kann es verschmerzen. Iss weiter, bevor es kalt wird.«
»Es schmeckt gut. Aus deiner Heimat, sagst du, woher kommst du?«
LaPrixa sah auf ihre nackten Füße, die so fest und sicher auf dem Boden standen. Sie dachte nicht gerne an ihre Vergangenheit, die Erinnerungen schmerzten, aber auf einmal begann sie zu reden, in knappen, dürren Worten, über denen Ninian das Essen vergaß.
»Ich komme aus den südlichen Reichen, jenseits des Meeres. Mein Volk beherrschte die Steppe zwischen der Kleinen und der Großen Wüste. Es war einst ein mächtiges Reich, aber zu meiner Zeit schon im Niedergang. Und doch war ich noch eine Prinzessin meines Stammes und eine Kriegerin oder sollte eine werden. Eine freie Frau, die sich einen Gatten wählen oder unvermählt bleiben konnte«, sie lachte bitter. »Die Entscheidung wurde mir abgenommen, auf dem Weg zu einer Reinigungszeremonie in der Wüste wurde ich mit meiner Lehrerin, meiner Leibgarde und meiner Herzensschwester von Räubern überfallen. Ich war damals noch ein Kind, sonst hätten sie mich nicht lebend bekommen. Meine Begleiterinnen starben und mich haben sie mitgenommen und in die Sklaverei verkauft. Ich ging von Hand zu Hand, denn ich bereitete meinen Herrn keine Freude. Sie verkauften mich rasch weiter, um ihr Geld nicht zu verlieren, und schließlich landete ich bei einem Edelmann in Dea. Wie das Miststück Fortunagra führte er ein zweites, dunkles Leben«, ihr Gesicht verzerrte sich, »er hielt mich als Rarität, als Kuriosum, das er seinen Freunden zeigte – an einer Kette.«
Sie lachte ein wenig, als sie Ninians entsetzte Augen sah.
»Schau nicht so, Herzchen! Es ist vorbei. Die Dunkle Göttin gab mir ein, wie ich seine üblen Begierden gegen ihn richten konnte, bis er vor mir auf dem Bauch kroch. Ich bestahl ihn und eines Tages erinnerte ich mich an meine kriegerischen Vorfahren und – er starb. Ich wurde LaPrixa und erwarb dieses Haus, das ihm gehört hat.«
Sie schwieg, aber Abscheu und Mitleid in den Augen dieses Mädchens konnte sie nicht ertragen und so redete sie weiter.
»Aus einem verwandten Stamm kommt übrigens auch die Mutter von Duquesne, dem Wachhund. Sie ist dem Patriarchen nach Dea gefolgt, weil sie glaubte, er würde sie zu seiner rechtmäßigen Gattin machen. Arme Närrin – als ob er eine Dunkelhäutige zur Fürstin dieser prächtigen Stadt erheben würde und wäre sie hundertmal eine Prinzessin in ihrem eigenen Reich! Sie weinte und tobte bei mir, als er Romola da Vesta heiratete, und zuletzt habe ich auch ihr geholfen, obwohl sie einen anderen Weg gewählt hat als ich.«
LaPrixa spuckte verächtlich auf den Steinsockel, den Ninian versenkt hatte und meinte nachdenklich: »Ein kleines Spuckbecken – warum nicht?«
»Deshalb ist Duquesne so dunkel«, warf Ninian ein.
»Ja, und so schön, der Bastard. Sie war prachtvoll und sie liebte den Patriarchen.«
»Diesen alten, fetten Mann mit den Hängebacken?«
»Warum nicht? Es gibt die absonderlichsten Vorlieben, manche Leute mögen sogar Rothaarige.«
LaPrixa grinste boshaft und fuhr fort:
»Außerdem war der Alte nicht immer fett und hässlich, sondern ein schneidiger Draufgänger, fest davon überzeugt, dass ihm keiner das Wasser reichen
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