AvaNinian – Zweites Buch
abgelegenen Winkeln drang ein Stöhnen. Es gab auch welche, die gerne zusahen.
Jermyn wandte sich ab. Die Götter erfüllten keine Wünsche. Und die Schale war beinahe geleert. Er schloss die Tür hinter sich.
Als er die Treppe hinaufstieg, stieß er beinahe mit zwei Männern zusammen. Inmitten des salzigen Schweißgeruchs stieg ihm eine Wolke von Duftwasser in die Nase, jemand kam ihm so nahe, dass er einen weichen Schuh auf seinem Stiefel spürte. Der Mann zog einen zweiten hinter sich her. Jermyn kniff die Augen in dem Dunst zusammen.
Der erste war ein hübscher Jüngling, elegant und teuer gekleidet, mit einem grausamen Zug um den weichen, mädchenhaften Mund. Reich und dumm, gute Beute, leicht auszunehmen.
Ungeduldig zerrte er an dem bunten, geschlitzten Ärmel seines Begleiters. »Komm, mein Herz, gleich werden wir viel Kurzweil haben«, murmelte er. Jermyn roch Weindunst und etwas anderes, widerwärtiges - Sternenstaub.
Ein schlenkernder Arm traf seine Brust, als der andere Mann an ihm vorbeistolperte. Er stank geradezu nach der Droge und blinzelte blöde um sich. Jermyn starrte ihm nach. Dieses Gesicht mit der nach vorne strebenden Nase und dem fliehenden Kinn - er hatte es beim Hochzeitszug und bei der Eröffnung der Gladiatorenschule gesehen. Ninians Schneider war das, wie hieß er noch ... Kaye. Der Wagengefährte, den sie gegen jede Vernunft so schätzte.
Gallebitter stieg der Ärger in Jermyn auf. Dieser Kerl hatte sie auf die Freien Tänze gebracht, ihm hatte er es zu verdanken, wenn sie sich dort vergnügt hatte, in den Armen anderer Männer.
Unter dem Einfluss des Sternenstaubs begann der Schneider zu blöken und lachte dann albern. Die beiden hatten die Treppe erreicht und der vornehme Bengel schickte sich an, seinen Gefährten hinunter zu bugsieren.
Jermyn pfiff tonlos. Kaye war einem Schlepper in die Falle gegangen und würde sein Fett wegkriegen, ohne dass er sich die Finger schmutzig machen musste. So war es nur gerecht - die lächerliche Schwuchtel hatte schließlich Schuld an seinem Elend. Die ganze Nacht lang hatte er die Gedanken weggedrängt, jetzt überfielen sie ihn mit aller Macht und die rote Wut stieg in ihm hoch.
Kalt sah er zu, wie der Junker sich mit seinem Opfer abmühte. Ob Kaye ahnte, was ihm drohte oder ob er schlicht zu berauscht war, um seine Glieder zu beherrschen - die beiden zappelten auf den Stufen herum wie Fallsüchtige. Sie erregten das Aufsehen der anderen Männer und der junge Mann verlor die Geduld. Er landete einen heftigen Schlag gegen Kayes Schulter, den selbst der beduselte Schneider nicht mit einer Liebkosung verwechseln konnte.
»S...sachte, m...mein Schatz, dd...du hascht’s a...aber eilig ... «
»Halt’s Maul!«
»Huch, wwie grob, Ssüßer ...«
»Oi, lasst solches Geschwätz!«
»Frevel, ihr lästert den Gott ...«
Drohendes Grollen kam von den Nahestehenden und der Junker mühte sich, den Schneider zur Tür zu zerren. Der ungelenke Mann stürzte.
»Mein Bein, oh, au, nnich, das tut weh ...«
Der andere hatte ihn an den schütteren Haaren gepackt und Kaye wimmerte.
Jermyn wartete. So fing es an, es würde unendlich viel schlimmer werden, bevor sie mit dem Schneider fertig waren ...
Ninian würde zu ihm kommen und erzählen, dass ihr Wagengefährte verschwunden war. Zuerst nur ein wenig unruhig, seine kleinen Abenteuer hielten ihn mitunter einige Tage von seiner Werkstatt fern. Endlich würde sie sich Sorgen machen und wenn er nicht zurückkehrte, würde sie unglücklich und traurig sein. Kaye brachte sie zum Lachen, sie sprach mit ihm über ihre Berge, von denen Jermyn keine Ahnung hatte. Sie würde Kaye vermissen und rätseln, was ihm zugestoßen sein mochte. Dann würde sie Trost bei ihm suchen, er würde ihren Kummer sehen, den Unwissenden spielen und dabei immer denken müssen, dass er den Schneider hätte retten können.
Die Tür hatte sich geöffnet, in dem rötlichen Lichtkeil beugte sich eine dunkle Silhouette vor, um dem Junker zu helfen, Kaye hereinzuziehen.
Und wenn sie ihren Kummer nicht mehr zu ihm tragen würde? Wenn sie einen anderen gefunden hatte in dieser Nacht? Jermyn stöhnte.
So würde alles trotzdem stimmen. Was hatte sie ihm vorgeworfen, als er sie von den Freien Tänzen weggezogen hatte?
Du hast eine schlechte Meinung von mir.
Nein, die hatte er nicht von ihr, nur von sich selbst!
Er stieß sich von der Wand ab und sprang die Treppe hinunter, gerade als sie Kaye zu zweit in die Krypta schoben. Sein Stiefel
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