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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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gezogen. Aber das Blatt hatte sich gewendet, er war nicht mehr der Gehetzte, Hungernde, der durch die unbarmherzigen Straßen schlich. Heute schritt er wie ein König durch sein Reich.
    Er lachte ein wenig. Sehr königlich sah er wahrhaftig nicht aus. Aus dem einen Auge konnte er kaum sehen, seine Nase schmerzte und der morgendliche Wind blies empfindlich kühl durch die Risse in seinem zerfetzten Hemd.
    Aber es machte nichts; nach dem wüsten Treiben der vergangenen Nächte verspürte er nur Müdigkeit und Frieden. Selbst die bange Frage, was ihn im Palast erwartete, hatte für den Augenblick ihren Schrecken verloren, während er die weite, schimmernde Stadt wie einen Mantel um sich fühlte.
    Er hatte Kaye zum »Schwarzen Hahn« gebracht und so lange mit Kahwe abgefüllt, bis der Schneider wieder klar genug war, um zu sagen, wo er wohnte. Selbst für Jermyn war es nicht leicht gewesen, ein Fuhrwerk aufzutreiben, aber schließlich waren sie durch die menschenleeren Straßen gerattert.
    Der Schneider hatte ihn unterdessen erkannt und zu schwatzen begonnen.
    »Uups, d...du bist doch N...Ninians Dieb, i...ich hab sie hü...hübsch ra...rausgeputzt f...für die T...Tänze, ei...eine Augenw...weide un m...mein K...Kleid is ’n Ge...gedicht ...«
    Er hatte albern gekichert und obwohl Jermyn aus dem Gestammel nicht schlau geworden war, hatte es ihm nicht gefallen.
    »Halt’s Maul oder ich schmeiß dich raus.«
    Kaye hatte erschrocken den Mund zugeklappt.
    Nach langem Hin und Her hatte er endlich in seinem prächtigen Bett gelegen. Jermyn hatte die Kutsche weggeschickt und sich zu Fuß auf den Weg in die Ruinenstadt gemacht.
    Darüber hatte die Fanfare das zweite und dritte Mal gerufen, die Sonne war aufgegangen und hier war er, müde, hungrig und schwindelig vom Schlafmangel und doch im Reinen mit sich.
    Ein betrunkener Edelmann torkelte ihm entgegen, die Maske hing schief an einem Ohr, er fuchtelte mit seinem Gehstöckchen.
    »H...holla, B...Bursche, a...aus ’m Weg, jetz mü...müsst ihr w...wieda gehorchn ...«
    Ohne Groll beförderte Jermyn ihn mit einem Fußtritt in die Gosse und durchsuchte seine Taschen. Es kam nicht viel zum Vorschein, was am Ende der dritten Nacht nicht verwunderlich war, aber er steckte die Silbermünzen ein.
    »Habt vielen Dank, edler Herr, und gute Ruhe.«
    Der Mann brummte, er hatte es sich in seinem schmutzigen Bett bequem gemacht und war friedlich entschlummert. Jermyn nahm den Stock und ließ ihn die Mauern entlangklappern.
    Der Fluss kam in Sicht. Der Wind kräuselte das träge Wasser zu kleinen Wellen. Weiße Schwaden hingen über seinem Bett und leuchteten golden auf, als die ersten Sonnenstrahlen den Strom in ein glitzerndes Band verwandelten. Jermyn trat aus dem Schatten der Häuser. Vor ihm lag die Brücke, unter der Vitalonga hauste.
    Auf dem ersten Pfosten des Geländers saß jemand.
    Als er näher kam, sah er, dass es eine Nachtschwärmerin war, ein Fräulein, das hier gestrandet war. Wie sie dort saß, schien sie ihm an diesem Morgen der Geist der Stadt zu sein, weiß und glitzernd und federleicht, als könnte ein Windstoß sie fortwehen. Das Sonnenlicht schlug Funken aus ihrem Mieder und beim Anblick des freizügigen Kleides, das ihre nackten Schultern der Morgenluft preisgab, fröstelte er unwillkürlich. Der Wind bauschte die weißen Röcke und zerzauste die Federn der Maske, die das Gesicht des Fräuleins bedeckte.
    Einen verstörenden Augenblick lang gaukelte Jermyns übermüdeter Geist ihm ein überirdisches Wesen vor, eine Göttin, die in ihre Stadt zurückkehrte, bis er sah, dass die zauberische Erscheinung nicht unbeschädigt war. Die Röcke waren zerrissen und angesengt, ein schmutziges Bein lugte hervor. Ein Ärmel fehlte und lange, rote Schrammen liefen über die nackte Schulter. Das Wesen ließ wenig göttinnenhaft die Füße baumeln - einer steckte in einem zerrissenen Seidenschuh, der andere in einer Holzpantine.
    Jermyns Herz klopfte schnell und unregelmäßig, er versuchte zu begreifen ... Das märchenhafte Fräulein griff nach einer Tüte, die auf dem Geländer lag, nahm einen dicken, goldgelben Krapfen heraus und biss herzhaft hinein. Ein gutes Zeichen.
    Mit einem Ruck erwachte Jermyn aus seiner Verzauberung. Er warf den Stecken weg und schlenderte auf die seltsame Brückenfigur zu.
    Sie sah ihm gelassen entgegen und kaute an ihrem Backwerk.
    »Nun, mein schönes Fräulein, habt Ihr Euch nach Herzenslust vergnügt?«
    »Allerdings, Strolch, danke der

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