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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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erlernt und große Strapazen überstanden. Und wenn wir irgendwo die Legende eines Ortes hörten, der, sagen wir, neunhundert Meilen entfernt lag, so verbrachten wir die nächsten zwei Jahre damit, ihn zu erreichen; und wenn wir dort ankamen, fanden wir nichts.
    Und so vergingen die Jahre. Doch nicht ein einziges Mal kam uns der Gedanke, aufzugeben und zurückzukehren, da wir uns vor unserem Aufbruch aus England geschworen hatten, daß wir unser Ziel erreichen oder sterben würden. Tatsächlich hätten wir einige Dutzend mal sterben müssen, doch immer wieder wurden wir gerettet, auf eine wundersame Weise gerettet.
    Jetzt waren wir in einem Land, in das, so weit ich es beurteilen kann, noch nie ein Europäer seinen Fuß gesetzt hatte. In einem Teil dieses riesigen Landes, das Turkestan genannt wird, befindet sich ein großer See, der Balhkash-See, dessen Gestade wir aufsuchten. Zweihundert Meilen westlich davon erhebt sich eine gewaltige Bergkette, die auf den Karten als Arkarty Tau bezeichnet wird, und auf der wir etwa ein Jahr zubrachten. Etwa fünfhundert Meilen östlich davon liegt ein weiteres Bergmassiv, das Cherga genannt wird, und dorthin zogen wir, nachdem wir das Arkarty Tau-Gebirge durchforscht hatten.
    Und hier begann endlich unser wirkliches Abenteuer. Auf einem Ausläufer der zerklüfteten Charga-Berge – man wird ihn auf keiner Landkarte finden – wären wir beinahe verhungert. Der Wintereinbruch stand unmittelbar bevor, und wir fanden kein Wild. Der letzte Mensch, den wir getroffen hatten – mehrere hundert Meilen südlich von hier –, hatte uns berichtet, daß sich in dieser Bergkette ein Kloster befände, in dem Lamas von überragender Heiligkeit lebten. Er hatte uns erzählt, daß sie in diesem wilden Land lebten, das noch von keiner Macht beansprucht worden war, und in dem es nicht einmal Nomaden gebe, um ›Verdienst‹ zu erwerben. Wir glaubten zwar nicht an die Existenz dieses Klosters, doch suchten wir trotzdem nach ihm, getrieben von dem blinden Fatalismus, der uns während der jahrelangen Suche aufrechterhalten hatte. Wir standen kurz vor dem Verhungern und konnten auch kein Stück Holz finden, um ein Feuer zu machen. Schweigend schritten wir durch die mondhelle Nacht und trieben das Yak an, das unsere Lasten trug. Wir hatten keine Dienstboten mehr; der letzte war im Jahr davor gestorben.
    Es war ein kräftiges Tier, dieses Yak, doch inzwischen war es genauso am Ende wie seine Herren. Nicht daß wir es überladen hätten; die Last bestand nur noch aus etwa hundertfünfzig Gewehrpatronen, dem Rest des Postens, den wir zwei Jahre zuvor in einer Karawane hatten erstehen können, für einen kleinen Beutel mit Gold- und Silbermünzen, etwas Tee und einem Bündel Felldecken und Schafspelzen. Wir zogen über ein weites verschneites Plateau, die Berge zu unserer Rechten, als das Yak plötzlich seufzte und stehenblieb. Wir blieben notgedrungen ebenfalls stehen, wickelten uns in die Felldecken und hockten uns in den Schnee, um auf den Sonnenaufgang zu warten.
    »Wir werden das Yak töten und sein Fleisch roh essen müssen«, sagte ich und klopfte dem armen Tier, das geduldig neben uns lag, auf das Hinterviertel.
    »Vielleicht finden wir Wild, wenn es hell geworden ist«, sagte Leo.
    »Vielleicht auch nicht, und dann werden wir verhungern.«
    »Gut«, antwortete er, »dann werden wir eben sterben. Der Tod ist der letzte Ausweg aus dem Versagen, und wir sterben zumindest in dem Bewußtsein, unser Bestes getan zu haben.«
    »Sicher haben wir unser Bestes getan, Leo, wenn man sechzehn Jahre Trampen über Berge und durch endlosen Schnee in Verfolgung eines nächtlichen Traums so nennen kann.«
    »Du weißt, was ich glaube«, antwortete er scharf, und dann herrschte eine Weile Schweigen zwischen uns. Ich wußte, daß er allen Argumenten unzugänglich war, und auch ich wollte mir nicht eingestehen, daß alle Mühen und Leiden umsonst gewesen sein sollten.
    Als es dämmerte, blickten wir einander prüfend an; jeder wollte sehen, wieviel Kraft noch in dem anderen verblieben war. In den Augen zivilisierter Menschen mußten wir wie wilde Tiere wirken. Leo war jetzt über vierzig Jahre alt, und was seine Jugend versprochen hatte, hatte er im Mannesalter gehalten. Ich habe noch nie einen prächtigeren Mann gesehen. Er war groß und schlank, und die vielen Jahre in Wüste und Gebirge hatten seine Muskeln zu Stahl werden lassen. Sein Haar war schulterlang, wie das meine, Schutz vor Sonne und Kälte, eine

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