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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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daß wir auf dem Gipfel eines Berges standen, erstreckte sich das Gelobte Land, so weit das Auge reichte. Es war fast völlig flach, wahrscheinlich eine Schwemmebene, die in grauer Vorzeit einmal der Grund eines der riesigen Seen gewesen war, von denen es in Zentralasien eine ganze Reihe gibt, die meisten von ihnen ausgetrocknet oder im Prozeß der Austrocknung. Nur ein einziges Objekt belebte die Monotonie dieses völlig flachen, ebenen Landes: ein alleinstehender, schneebedeckter, gigantischer Berg, dessen Konturen wir selbst auf die große Entfernung, die sich zwischen ihm und unserem Standpunkt befand, klar erkennen konnten. Wir konnten sogar noch weitere Einzelheiten ausmachen, so eine große Rauchwolke über dem abgerundeten Gipfel, die bewies, daß dieser Berg ein aktiver Vulkan war, und auf dem uns zugewandten Rand des Kraters einen gewaltigen Pfeiler aus Fels oder Lava, auf dessen Spitze ein ringförmiges Gebilde saß.
    Ja, dort stand es vor unseren Augen, das Symbol unserer Vision, nach dem wir so viele, viele Jahre gesucht hatten, und bei seinem Anblick schlugen unsere Herzen rascher und unser Atem ging in kurzen, erregten Stößen. Wir hatten es während unseres Marsches durch das Gebirge nicht sehen können, weil die hohen Wände der Schlucht und die vor uns liegenden Gipfel es vor unseren Blicken verborgen hatten. Trotzdem erkannten wir auf Anhieb, daß jener Berg erheblich höher war als alle anderen Gipfel des Massivs. Das erklärte die Tatsache, wie es möglich war, daß der Lichtstrahl, der durch den Ring des Symbols gefallen war, den schneebedeckten Gipfel des hohen Berges auf der anderen Seite der Wüste erreichen konnte, den wir damals bestiegen hatten.
    Jetzt wußten wir auch, welchen Ursprung dieser Lichtstrahl hatte, denn der aufsteigende Rauch hinter dem Symbol löste dieses Rätsel. Wenn der Vulkan ausbrach, loderten zweifellos Flammen aus dem Krater, der hinter dem Symbol lag und jetzt nur dünne Rauchwolken ausspie; zuckendes Feuer aus dem Inneren der Erde, das Licht von einer unvorstellbaren Intensität ausstrahlte; und dieses Licht war es, das uns auf jenem Gipfel erreicht hatte, von dem Ring gebündelt und gerichtet.
    Bei genauerem Hinschauen konnten wir jetzt auch eine kleine Stadt entdecken; ihre verschneiten Häuser standen auf einem flachen Hügel, an dessen Fuß ein breiter Fluß vorbeiströmte. Es mußte eine größere Bevölkerung auf dieser Ebene leben, denn mit Hilfe unseres Feldstechers, einem der wenigen Ausrüstungsgegenstände, die wir durch all die Jahre gerettet hatten, sahen wir das Grün frischer Saaten durch die tauende Schneedecke sprießen, erkannten dunklere Streifen als Bewässerungskanäle und mit Büschen und Bäumen bestandene Raine.
    Ja, vor uns lag das Gelobte Land, und dort erhob sich aus ihm der mystische Berg; wir brauchten jetzt nur noch die schneebedeckten Hänge der Berge hinabzusteigen, um es zu betreten.
    So dachten wir in unserem Optimismus und ahnten nicht, daß die größten Schwierigkeiten uns noch bevorstanden, welche Strapazen und Schrecken wir noch erleiden mußten, bevor wir endlich im Schatten des Lebenssymbols standen.
    Kälte und Erschöpfung waren vergessen; wir gingen rasch zum Zelt zurück, schlangen etwas von unserer Trockennahrung hinunter, zusammen mit ein paar Klumpen Schnee, der so eisig kalt war, daß er neue Kälteschauer durch unsere Körper jagte und unsere Zähne schmerzen machte; doch wir waren gezwungen, mit ihm unseren Durst zu löschen. Schließlich zerrten wir das arme Yak auf die Beine, beluden es und brachen auf.
    Wir hatten so große Eile, endlich unser Ziel zu erreichen, und waren so mit unseren eigenen Gedanken beschäftigt, daß wir, wenn ich mich recht erinnere, kaum ein Wort miteinander wechselten. Rasch und ohne zu zögern schritten wir den Berghang hinab, denn auf dieser Seite des Gebirges war die Straße zu beiden Seiten mit Steinsäulen markiert. Der Anblick dieser Markierungen wirkte äußerst beruhigend auf uns, sagten sie uns doch, daß wir uns auf der Straße befanden, die ins Gelobte Land führte.
    Doch war es eine Straße, die offensichtlich nicht mehr begangen wurde, da wir außer den Spuren von Wildschafen, Bären und Bergfüchsen keine Anzeichen ihrer Benutzung entdecken konnten. Das ließ sich wohl damit erklären, sagten wir uns, daß die Straße wohl nur während des Sommers benutzt wurde. Oder die Menschen, die jetzt in diesem Land lebten, waren Stubenhocker, die ihre kleine Stadt nicht

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