Ayesha - Sie kehrt zurück
Kein von Menschen ersonnenes und geleitetes Bombardement konnte auch nur halb so schlimm sein wie der Anschlag dieser Naturgewalten, und – hätte es hier etwas zu zerstören gegeben – von einer nur halb so verheerenden Wirkung.
Die unbeschreibliche Gewalt dieser entfesselten Naturkräfte war ein entsetzliches Erlebnis, besonders, da sie ohne jede Vorwarnung, von einer Sekunde zur anderen über uns hereinbrach. Die Naturgewalten, die im Schoß der stillen Berge, unter dem ruhigen, friedvollen Himmel geschlummert hatten, waren plötzlich freigesetzt worden und hatten sich unter der Begleitung von Wirbelwinden und all den furchtbaren, entsetzlichen Geräuschen auf die Häupter von uns beiden gestürzt.
Beim ersten Anschlag der Schneemassen waren wir hinter die schützende Felsennase zurückgesprungen, hatte uns zu Boden geworfen und uns aneinandergeklammert vor Angst, daß uns der Wind in die Schlucht reißen könnte. Unser Zelt war schon längst wie ein welkes Blatt davongewirbelt worden, und wir waren überzeugt, daß wir ihm bald folgen würden.
Tonnenschwere Felstrümmer krachten gegen unseren kleinen Berg, schossen zu beiden Seiten vorbei und über unsere Köpfe hinweg. Einer von ihnen schlug dicht neben uns auf dem Felsplateau ein und zersprang dabei in Trümmer und scharfkantige Splitter, die surrend wie Schrapnells nach allen Seiten flogen. Wir hatten das Glück, unverletzt zu bleiben, doch als wir den Kopf wieder zu heben wagten und nach dem Yak Ausschau hielten, sahen wir es tot und ohne Kopf auf der Mitte des Plateaus liegen. Wir blieben weiter am Boden, warteten auf das Ende und fragten uns, ob wir unter den Schneemassen begraben, mit dem ganzen Hügel in die Schlucht gerissen, von fliegenden Steintrümmern erschlagen oder von dem Sturm fortgeweht werden würden.
Wie lange es dauerte? Wir wissen es nicht. Es konnten zehn Minuten oder mehrere Stunden gewesen sein, denn in einer solchen Situation verliert man jedes Zeitgefühl. Irgendwann merkten wir, daß der Wind aufhörte und die Geräusche des herabdonnernden Schnees und der fliegenden Felsstücke aufhörten. Vorsichtig kamen wir auf die Beine und sahen um uns.
Der steile Berghang vor uns, zwei Meilen hoch und über eine halbe Meile breit, der vorher mit einer dicken Schneeschicht bedeckt gewesen war, zeigte jetzt seine kahle, felsige Oberfläche. Zwischen seinem Fuß und unserem Hügel lag eine Zunge von Schnee, die der ungeheure Druck fast zu der Festigkeit von Eis zusammengepreßt hatte, und in die Steine und Felstrümmer eingebettet waren. Der Felshügel, auf dem wir saßen, war verschrammt und aufgerissen; riesige Flächen waren aus seiner Oberschicht herausgeschlagen worden, so daß frisches Gestein freilag, in dem Glimmer oder ein anderes Mineral glitzerte. Die riesige Schlucht hinter uns war zur Hälfte mit Schnee und Gesteinstrümmern gefüllt. Doch sonst wirkte das Land, als ob nichts geschehen sei. Die Sonne strahlte am wolkenlosen Himmel, und ihr Licht wurde von den schneebedeckten Hängen hunderter anderer Berge reflektiert. Und wir hatten alles überstanden und lebten noch, waren sogar unverletzt!
Doch in welcher Lage befanden wir uns. Wir wagten nicht, unseren Felshügel zu verlassen, da wir fürchteten, in dem lockeren Schnee zu versinken. Außerdem kamen noch immer auf der ganzen Breite des Hangs gelegentlich Steinlawinen und tonnenschwere Felsbrocken herabgepoltert, und mit ihnen oft Schneemassen, die von der Lawine zurückgelassen worden waren; jede von ihnen recht klein, zugegeben, doch groß genug, um ein paar Dutzend Männer zu töten. Es war uns deshalb klar, daß wir hier oben gefangen waren, bis die Umstände günstiger werden würden – oder uns der Tod erlösen würde.
So saßen wir nun nebeneinander, hungrig und voller Angst, und fragten uns, was unser Freund Kou-en sagen würde, wenn er uns so sehen könnte. Mit der Zeit wurde unser Hunger so wütend, daß er alle anderen Gefühle überwältigte, und wir begannen, sehnsüchtige Blicke auf den kopflosen Kadaver des Yak zu werfen.
»Wir wollen ihn abhäuten«, schlug Leo vor. »Das gibt uns etwas zu tun, und außerdem werden wir das Fell heute nacht dringend brauchen.«
Also unterzogen wir uns mit einem an Ehrfurcht grenzenden Gefühl dieser Aufgabe an dem toten Gefährten unserer langen Reisen und waren glücklich, daß nicht wir ihn zum Tode gebracht hatten. Unser langes Zusammenleben mit Menschen, die glaubten, daß ihre Seelen von Tieren stammten oder auf Tiere
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