Azathoth - Vermischte Schriften
später diesen Ort aufsuchten und das Haus erbauten, kann ich nicht ermessen. Zweifellos kam Hendrik van der Heyl auf der Suche nach diesem Wesen 1638 nach Neu-Holland. Die Menschen dieser Erde kennen es nicht, abgesehen von dem geheimen Raunen jener wenigen Furchtgeschüttelten, die den Schlüssel gefunden oder ererbt haben. Bislang hat es kein Menschenauge auch nur flüchtig erblickt - es sei denn, die verschwundenen Hexenmeister dieses Hauses sind tiefer als vermutet eingedrungen.
Mit dem Wissen um die Symbole stellte sich gleich eine Meisterschaft der Sieben Verlorenen Zeichen des Schreckens und die stillschweigende Erkenntnis der abscheulichen und unaussprechlichen Wörter der Furcht ein. Mir bleibt nur eines: den Gesang anzustimmen, der den Vergessenen, der Wächter des Uralten Durchgangs ist, verwandeln wird. Ich wundere mich sehr über den Gesang. Er besteht aus seltsamen und abstoßenden Kehllauten und verstörenden Zischlauten, keiner Sprache ähnlich, die mir je begegnet ist, nicht einmal in den schwärzesten Kapiteln des Livre d'Eibon. Als ich gegen Sonnenuntergang auf den Hügel stieg, versuchte ich, laut zu lesen, rief aber nichts als ein vages, unheimliches Grollen am fernen Horizont hervor und eine dünne Wolke von
Staubteilchen, die zuckten und wirbelten wie ein bösartiges Lebewesen. Vielleicht spreche ich die fremdländischen Silben nicht korrekt aus oder vielleicht kann die große Verwandlung nur am Sabbat - dem Höllensabbat, für den mich die Mächte in diesem Haus fraglos festhalten - stattfinden.
Ich hatte an diesem Morgen einen merkwürdigen Anfall von Furcht. Ich meinte einen Augenblick lang, mich zu erinnern, wo ich den rätselhaften Namen Sieght zuvor gehört hatte, und die Aussicht, ans Ziel zu kommen, erfüllte mich mit
unaussprechlichem Grauen.
28. April Heute haben unablässig dunkle, unheilverkündende Wolken über dem Kreis auf dem Hügel geschwebt. Mir sind derartige Wolken bereits einige Male zuvor aufgefallen, doch haben ihre Umrisse und Formationen jetzt eine neue Bedeutung gewonnen. Sie sind schlangenähnlich, phantastisch und gleichen merkwürdig den bösen Schattengestalten, die ich im Haus gesehen habe. Sie schweben in einem Kreis um den uralten Druidenstein und drehen sich des öfteren, als seien sie von unheilverkündendem Leben und Absichten erfüllt. Ich könnte schwören, daß sie ein zorniges Murmeln ausstoßen. Nach etwa fünfzehn Minuten segeln sie langsam weiter, immer nach Osten, wie die Einheiten eines verstreuten Bataillons. Handelt es sich wirklich um diese gefürchteten Wesen, die einst Salomon kannte
- die riesigen schwarzen Wesen, deren Zahl Legion ist und deren Schritt die Erde erschüttert? Ich habe den Gesang geübt, der das namenlose Wesen verwandeln wird, doch bedrängen mich seltsame Ängste, wenn ich die Silben vor mich hinmurmele.
Durch Zusammenfügen aller Anzeichen zu einem Bild habe ich jetzt entdeckt, daß der einzige Weg zu Ihm durch das verschlossene Kellergewölbe führt. Dieses Gewölbe wurde mit einer höllischen Absicht errichtet und muß den verborgenen Bau bedecken, der zu des Uralten Wesens Lagerstatt führt. Welche Wächter unaufhörlich darin leben, mit welcher unbekannten Labung sie jahrhundertelang durchhalten, können nur Verrückte sich ausmalen. Die Hexenmeister dieses Hauses, die sie aus dem Innern der Erde heraufbeschworen haben, kennen sie nur zu gut, wie die erschreckenden Porträts und Erinnerungen an diesem Ort zeigen.
Was mir am meisten Sorgen bereitet, ist die begrenzte Wirkungsmöglichkeit des Gesangs. Er beschwört wohl das namenlose Wesen herauf, liefert jedoch keine Handhabe, um das, was heraufbeschworen wird, im Zaum zu halten. Es gibt natürlich allgemeine Zeichen und Handlungen, aber ob sie sich gegen jemanden wie den Einen als wirkungsvoll erweisen, wird sich erst zeigen. Doch sind die Belohnungen hoch genug, um jede Gefahr zu rechtfertigen, und auch wenn ich wollte, könnte ich nicht zurück, denn eine unbekannte Kraft treibt mich voran.
Ich habe ein weiteres Hindernis entdeckt. Da das
verschlossene Kellergewölbe durchquert werden muß, ist es notwendig, den Schlüssel zu diesem Ort zu finden. Das Schloß ist bei weitem zu stabil, um gewaltsam aufgebrochen zu werden.
Daß sich der Schlüssel irgendwo in der Nähe befindet, steht außer Zweifel, aber die Zeit bis zum Sabbat ist nicht mehr lang.
Ich muß sorgfältig und gründlich suchen. Es wird Mut erfordern, diese Eisentür aufzuschließen, denn welch
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