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Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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auszudehnen schien. Da sie sonst nichts fanden, nicht einmal Gold, stellte der Bergwerksdirektor die Versuche ein. Wenn er nachdenklich an seinem Schreibtisch sitzt, überzieht jedoch zuweilen ein verblüffter Ausdruck sein Antlitz.
    Eine andere Sache ist höchst merkwürdig. Kurz nach meinem Erwachen an dem fraglichen Morgen nach dem Sturm fiel mir das unerklärliche Fehlen meines Hindurings am Finger auf. Ich hatte ihn sehr geschätzt, aber trotzdem empfand ich ein Gefühl der Erleichterung über sein Verschwinden. Wenn ihn einer meiner Bergarbeiter-Kameraden an sich gebracht hatte, mußte er sich seiner Beute höchst schlau entledigt haben, denn trotz Anzeigen und polizeilichen Nachforschungen wurde der Ring nie wiedergefunden. Irgendwie bezweifle ich, daß er von sterblichen Händen gestohlen wurde, denn in Indien sind mir viele Merkwürdigkeiten begegnet.
    Meine Meinung zu diesem Erlebnis schwankt von Zeit zu Zeit. Bei hellem Tageslicht und die meiste Zeit des Jahres neige ich dazu, es zum Großteil für einen bloßen Traum zu halten.
    Manchmal im Herbst jedoch, so um zwei Uhr morgens, wenn die Winde und die Tiere erbärmlich heulen, dann dringt aus unvorstellbaren Tiefen eine verwünschte Andeutung eines rhythmischen Pochens..., und ich spüre, daß das
    Dahinschwinden des Juan Romero wahrhaft entsetzlich war.
    16. September 1919

Prosagedichte

Erinnerung
    Im Tal Nis scheint der verfluchte abnehmende Mond
    schwach, er bricht durch das tödliche Laubwerk eines gewaltigen Upas-Baumes mit den kraftlosen Spitzen seiner Sichel einen Pfad für sein Licht. In den Tiefen des Tales, dort, wohin das Licht nicht mehr reicht, bewegen sich Gestalten, deren Anblick kein Auge erträgt. Auf den Hängen rechts und links wächst üppiges Grün, dort schlängeln sich böse Ranken und Kriechpflanzen zwischen den Steinen verfallener Paläste, schlingen sich fest um zerborstene Säulen und fremdartige Monolithe, kriechen Marmorfliesen hinauf, die von längst vergessenen Hilfskräften verlegt wurden. Auf Bäumen, die in verwahrlosten Höfen zu gigantischen Höhen emporwachsen, hüpfen Äffchen umher, während sich in und vor den tiefen Schatzgewölben Giftschlangen und namenlose Schuppenwesen tummeln.
    Ungeheuerlich sind die Steine, die unter einer Decke feuchten Moses schlafen, und gewaltig waren die Mauern, von denen sie herabstürzten. Ihre Erbauer errichteten sie für die Ewigkeit, und fürwahr, sie erfüllen noch immer vornehm ihren Zweck, denn unter ihnen hat die graue Kröte ihre Behausung aufgeschlagen.
    Am tiefsten Punkt des Tals liegt der Fluß Tensch, dessen Gewässer schleimig und schilfbestanden sind. Er entspringt verborgenen Quellen und fließt in unterirdische Grotten weiter, damit der Dämon des Tals nicht weiß, warum sein Wasser rot ist, und ebensowenig, wohin es fließt.
    Der Geist, der in den Mondstrahlen haust, sprach zum Dämon des Tals, und zwar so: »Ich bin alt und habe viel vergessen.
    Berichte mir von den Taten, dem Aussehen und dem Namen derer, welche die steinernen Gebäude errichtet haben.« Und der Dämon erwiderte: »Ich bin die Erinnerung und besitze großes Wissen um die Überlieferung der Vergangenheit, aber ich bin gleichfalls alt. Diese Wesen glichen den Gewässern des Flusses Tensch, sie waren nicht zu verstehen. An ihre Taten erinnere ich mich nicht, denn sie dauerten nur einen Augenblick. An ihr Aussehen erinnere ich mich schwach, denn es glich dem der Äffchen auf den Bäumen. An ihren Namen erinnere ich mich deutlich, denn er reimte sich auf den des Flusses. Diese Wesen von gestern wurden Mensch genannt.«
    Und so flog der Geist zu dem schwachen, sichelförmigen Mond zurück, und der Dämon sah konzentriert einem Äffchen zu, das sich auf einem Baum tummelte, der in einem verfallenen Hof wuchs.

Ex Oblivione
    Als meine letzten Tage gekommen waren und die nichtigen Widrigkeiten des Daseins begannen, mich in den Wahnsinn zu treiben wie die kleinen Wassertropfen, die Folterer unaufhörlich auf einen bestimmten Punkt des Körpers ihres Opfers fallen lassen, liebte ich besonders die verklärende Zuflucht des Schlafes. In meinen Träumen fand ich ein wenig von der Schönheit, die ich im Leben vergebens gesucht hatte, und wanderte durch alte Gärten und verzauberte Wälder.
    Einmal, als der Wind mild und voller Düfte war, hörte ich den Ruf des Südens, und segelte endlos und schlaff unter fremdartigen Sternen dahin.
    Einmal, als sanfter Regen fiel, glitt ich in einer Barke einen lichtlosen

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