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Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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über die östlichen Hügel kroch, wobei er die Arme dem Ball entgegenstreckte, als vollführe er eine Zeremonie, deren Natur er selbst nicht erfaßte, ließ einen die Phantasie nicht an den kastilianischen Konquistador oder den amerikanischen Pionier denken, sondern an den uralten, edlen Azteken.

    Abgesehen von seinem Gesicht jedoch wies nichts an Romero auf adelige Abstammung hin.
    Unwissend und schmutzig fühlte er sich unter den anderen braunhäutigen Mexikanern daheim, denn er stammte (wie ich später erfuhr) aus der allerniedrigsten Umwelt. Als Kind hatte man ihn in einer primitiven Berghütte gefunden, der einzige Überlebende einer Epidemie, welche die Gegend todbringend heimgesucht hatte. In der Nähe der Hütte, an einer ungewöhnlichen Felsenkluft, hatten zwei Skelette, eben erst von Aasvögeln saubergepickt, gelegen, vermutlich die sterblichen Überreste seiner Eltern. Niemand erinnerte sich daran, wer sie waren, und die meisten hatten sie bald vergessen.
    Als die Adobe-Hütte verfiel und die Felsenspalte durch eine Lawine zugeschüttet wurde, war die Erinnerung an den Vorfall selbst gelöscht. Aufgezogen von einem mexikanischen Viehdieb, der ihm seinen Namen gegeben hatte, unterschied sich Juan nur wenig von seinen Gefährten.
    Die Zuneigung, die Romero mir gegenüber bewies, hatte ihren Ursprung unzweifelhaft in dem altmodischen und uralten Hindu-Ring, den ich trug, wenn ich nicht arbeitete. Wie er beschaffen war und wie er in meinen Besitz kam, darf ich nicht verraten, denn er war meine letzte Verbindung mit einem auf immer abgeschlossenen Kapitel meines Lebens, und ich hielt ihn in hohen Ehren. Bald fiel mir auf, daß der seltsam aussehende Mexikaner gleichermaßen interessiert war. Er betrachtete den Ring mit einem Ausdruck, der jeden Verdacht, er hätte es bloß auf seinen Besitz abgesehen, ausschloß.
    Seine ungefügen Hieroglyphen schienen in seinem
    unausgebildeten, aber lebhaften Geist eine schwache Erinnerung wachzurufen, obwohl er ihn unmöglich zuvor je gesehen haben konnte. Wenige Wochen schon nach seiner Ankunft verhielt sich Romero wie ein treuer Diener, und dies trotz des Umstands, daß ich nur ein gewöhnlicher Bergmann war. Unser Gespräch beschränkte sich natürlich nur auf die wenigen Worte Englisch, die er beherrschte, und ich mußte feststellen, daß sich mein Oxford-Spanisch völlig von dem Patois des Peons in Neu-Spanien unterschied.
    Der Zwischenfall, den ich schildern will, wurde durch keinerlei Vorzeichen angekündigt. Obwohl mich Romero als Mensch interessiert und ihn mein Ring seltsam beeinflußt hatte, glaube ich, daß keiner von uns beiden irgendeine Vorstellung hatte, was nach der großen Sprengung passieren würde.
    Geologische Erwägungen hatten eine Erweiterung der Mine vom tiefsten Teil des unterirdischen Gebietes abwärts erforderlich gemacht, und die Auffassung des Direktors, daß man nur auf massives Gestein stoßen würde, hatte zur Folge, daß man eine Dynamitladung von beträchtlicher Sprengkraft angebracht hatte. Romero und ich hatten mit dieser Arbeit nichts zu tun, weshalb unsere erste Information, daß
    Außergewöhnliches geschehen war, von anderen herrührte. Die Sprengung, die vielleicht heftiger als geschätzt ausgefallen war, hatte anscheinend den ganzen Berg erschüttert.
    Barackenfenster auf dem Hang draußen wurden von der Schockwelle zerschmettert, und in den näheren Stollen wurden die Bergleute zu Boden gefegt. Der über dem Schauplatz der Explosion gelegene Jewel Lake erzitterte wie unter einem Sturm. Nachforschungen zeigten, daß unterhalb der
    Explosionsstelle ein neuer bodenloser Abgrund gähnte; ein Abgrund, der so ungeheuerlich war, daß kein bereitliegendes Seil reichte, ihn auszuloten, noch konnte ihn eine Lampe erhellen. Die verwirrten Grubenarbeiter berieten sich mit dem Bergwerksdirektor, der befahl, große Seilrollen zur Grube zu bringen und sie so lange zusammenzuspleißen und
    hinabzulassen, bis der Grund erreicht war. Bald darauf unterrichteten die bleichen Arbeiter den Direktor vom Fehlschlag ihrer Bemühungen. Fest, aber respektvoll teilten sie ihre Weigerung mit, den Abgrund noch einmal aufzusuchen oder auch in der Mine weiterzuarbeiten, solange er nicht dicht verschlossen war. Hier standen sie offenbar vor etwas, was ihre Erfahrung überstieg, denn soviel sie feststellen konnten, war die Leere unten unendlich. Der Direktor korrigierte sie nicht.
    Vielmehr überlegte er gründlich und traf für den nächsten Tag seine Pläne.

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