Azazel
du nichts dergleichen. Du akzeptierst dein Gehalt doch, oder nicht?« Ich gebe zu, daß ich für einen unangenehmen Moment einen mittellosen Gottlieb vor mir sah und die Anzahl von Mittagessen, die für uns beide zu bezahlen ihm seine Tugendhaftigkeit unmöglich gemacht hatte.
»Nun ja, das tue ich. Meine liebe Frau, Marilyn, hat die beunruhigende Angewohnheit, in Gesprächen von ansonsten gänzlich intellektueller Natur plötzlich ihr Haushaltsgeld zum Thema zu machen, gar nicht zu reden von der müßigen Erwähnung zahlreicher Einkäufe, die sie unbedacht in Kleiderboutiquen oder Ausstattungsläden tätigt. Dies übt einen mäßigenden Einfluß auf meine Pläne aus. Was den kleinen Gottlieb junior angeht, der gerade sechs Monate alt ist, so ist er noch nicht weit genug, die völlige Bedeutungslosigkeit von Geld zu erkennen -wenngleich ich ihm zugute halten muß, daß er mich noch nie um welches angepumpt hat.«
Er bekreuzigte sich, und ich seufzte mit ihm. Ich hatte bereits mehrfach vom unkooperativen Wesen von Frauen und Kindern in bezug auf finanzielle Dinge gehört, und dies ist einer der maßgeblichen Gründe, warum ich in dieser Hinsicht ein langes Leben hindurch ungebunden geblieben bin, wiewohl mein unwiderstehlicher Charme immer wieder dafür gesorgt hat, daß mir Reihen wundervoller Frauen heftig nachstellten.
Gottlieb Jones unterbrach unwissentlich diverse angenehme Erinnerungen, denen ich mich unschuldig hingab, indem er sagte: »Weißt du, was mein geheimer Traum ist, George?«
Für einen Moment trat ein so schlüpfriges Leuchten in seine Augen, daß ich leicht zusammenschrak und fürchtete, er könnte irgendwie meine Gedanken gelesen haben.
»Mein Traum ist es, Schriftsteller zu werden«, fuhr er dessen ungeachtet fort. »Schneidende Enthüllungen über die bebenden Tiefen der menschlichen Seele zu verfassen und sie der Menschheit vor äugen zu halten, auf daß sie zugleich erschauere und sich delektiere an der herrlichen Komplexität menschlicher Befindlichkeit; meinen Namen in großen, unauslöschlichen Lettern im Feld der klassischen Literatur zu verewigen und über die Generationen hinweg fortzubestehen neben solchen Männern und Frauen wie Aischylos, Shakespeare und Ellison.«
Wir hatten unser Mahl beendet, und ich wartete angespannt auf die Rechnung, um in exakt jenem Augenblick meiner Aufmerksamkeit kurz zu gestatten, sich von etwas anderem ablenken zu lassen. Der Ober, schätzte die Angelegenheit mit der scharfen Auffassungsgabe ein, die seiner Profession eigen ist, und reichte sie Gottlieb.
Ich entspannte mich und sagte: »Lieber Gottlieb, erwäge die Konsequenzen, die möglicherweise folgen würden. Erst kürzlich las ich in einer Zeitung von höchster Glaubwürdigkeit, die ein Gentleman neben mir in der Hand hielt, daß es in den Vereinigten Staaten fünfunddreißigtausend publizierte Schriftsteller gibt; von diesen leben gerade einmal siebenhundert von ihrer Arbeit, und fünfzig - nur fünfzig, mein Freund - sind reich. Verglichen damit ist dein gegenwärtiges Gehalt ...«
»Pah«, machte Gottlieb. »Es ist nicht von Bedeutung für mich, ob ich Geld verdiene oder nicht, wenn es mir gelingt, Unsterblichkeit zu erlangen und allen kommenden Generationen ein unschätzbares Geschenk aus Einsicht und Verständnis zu hinterlassen. Leicht könnte ich die Unbequemlichkeit ertragen, daß Marilyn einen Job als Kellnerin oder eine andere einfache Tätigkeit annehmen müßte.
Ich bin mir sicher, daß sie es als Privileg erachten würde oder zumindest sollte, bei Tag zu arbeiten und sich des Nachts um Gottlieb junior zu kümmern, auf daß das Künstlertum freie Bahn habe. Lediglich ...« Er hielt inne.
»Lediglich?« forderte ich ihn auf.
»Nun, ich weiß nicht, woran es liegt, George«, erklärte er, und ein gereizter Ton bemächtigte sich seiner Stimme. »Aber es gibt eine Kleinigkeit, die mir noch im Wege steht. Es scheint, als könnte ich es nicht. Mein Hirn wimmelt vor Einfällen von ungeheurer Tragweite. Szenen, Dialogfetzen, Situationen von außerordentlicher Lebendigkeit strömen ohne Unterlaß durch meinen Verstand. Lediglich die unbedeutende Kleinigkeit, sie tatsächlich in passende Worte zu kleiden, will mir nicht gelingen. Es kann nur ein unbedeutendes Problem sein, denn jeder unfähige Schreiberling, so wie dein Freund mit dem merkwürdigen Namen, scheint keine Schwierigkeiten damit zu haben, Bücher zu Hunderten zu produzieren. Ich habe lediglich den Trick noch nicht
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