Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Azazel

Titel: Azazel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
Vom Netzwerk:
ungewöhnlich schweigsam gewesen. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, mich zu unterbrechen, als ich ihm von einigen Bonmots erzählte, die ich in den letzten Tagen zum Besten gegeben hatte. Ein spöttisches Lächeln war alles, was ihm die geistreichste meiner Bemerkungen entlockte.
    Als wir schließlich beim Dessert angelangt waren (warmer Blaubeerkuchen nach Art des Hauses), stieß er einen tiefen Seufzer aus, was mich auf unangenehme Weise an das Garnelengericht erinnerte, das er zuvor gegessen hatte.
    »Was ist los mit dir, George?« fragte ich. »Du wirkst so bedrückt.«
    »Dein Einfühlungsvermögen überrascht mich«, sagte George. »Sonst bist du doch immer viel zu sehr in deine schriftstellerische Arbeit vertieft, um das Leiden deiner Mitmenschen zu bemerken.«
    »Aber da ich mir nun schon einmal die Mühe gemacht habe«, sagte ich, »solltest du den Augenblick nicht ungenutzt verstreichen lassen.«
    »Ich mußte nur gerade an einen alten Freund denken. Der arme Kerl. Sein Name war Vissarion Johnson. Ich nehme an, du hast noch nicht von ihm gehört?«
    »Zufälligerweise, nein«, erwiderte ich.
    »Ach, flüchtig ist des Menschen Ruhm. Allerdings ist es wohl keine Schande, wenn man jemandem mit deinem begrenzten Allgemeinwissen nicht bekannt ist. Jedenfalls war Vissarion ein bedeutender Wirtschaftswissenschafter.«
    »Du machst sicher Scherze«, sagte ich. »Wie bist du denn an einen Wirtschaftswissenschaftler geraten? Ist das nicht ein wenig unter deinem Niveau?«
    »Wieso unter meinem Niveau? Vissarion Johnson war ein sehr gelehrter Mann.«
    »Daran hege ich nicht den geringsten Zweifel«, erwiderte ich. »Ich frage mich allerdings, wie es um die Ehre dieses Berufsstandes bestellt ist. Ich kenne da eine schöne Geschichte: Präsident Reagan soll sich einmal Gedanken um den Staatshaushalt gemacht haben. Er wollte ein paar Berechnungen anstellen und fragte einen Physiker: >Wieviel ist zwei plus zwei?< Der Physiker antwortete auf der Stelle: >Vier, Herr Präsident.< Reagan dachte einen Augenblick nach und nahm dabei seine Finger zu Hüte. Dennoch war er mit der Antwort nicht zufrieden und fragte deshalb einen Statistiker: >Wieviel ist zwei plus zwei?< Der Statistiker dachte ein wenig nach und sagte dann: >Herr Präsident, die letzte Umfrage unter Viertklässlern hat eine Reihe von Lösungen ergeben, deren Mittelwert sich der Vier annähert.« Da es sich jedoch um den Staatshaushalt handelte, wollte sich Reagan auch mit dieser Antwort nicht zufrieden geben und fragte deshalb einen Wirtschaftswissenschaftler: >Wieviel ist zwei plus zwei?< Der Wirtschaftswissenschaftler zog die Jalousien am Fenster herunter, blickte sich vorsichtig um und flüsterte dann: >Welche Antwort möchten Sie hören, Herr Präsident?««
    George ließ sich weder in Wort noch Geste anmerken, daß er meine Geschichte komisch fand. Er sagte: »Du hast eindeutig nicht den blassesten Schimmer von Wirtschaft, mein alter Freund.«
    »Die Wirtschaftswissenschaftler ebensowenig, George«, erwiderte ich.
    »Laß mich dir also die traurige Geschichte meines guten Freundes, des Wirtschaftswissenenschaftlers Vissarion Johnson erzählen. Das ganze ist vor einigen Jahren passiert.«
    Wie gesagt, Vissarion Johnson war eine Größe auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften [sagte Georgej. Er hatte am Institute for Technology in Massachusetts studiert und dort gelernt, die haarsträubendsten Gleichungen an die Tafel zu schreiben, ohne auch nur mit der Kreide zu zittern.
    Nach Abschluß seines Studiums begann er sofort, auf seinem Gebiet zu arbeiten. Und dank der finanziellen Mittel, die ihm zahlreiche Klienten zur Verfügung stellten, lernte er eine Menge über die zufälligen Schwankungen der täglichen Börsenkurse. Er legte dabei ein solches Talent an den Tag, daß seine Klienten so gut wie keine Verluste machten.
    Hin und wieder ließ er sich sogar zu der Vorhersage hinreißen, ob die Aktienkurse am nächsten Tag steigen oder fallen würden - je nachdem, ob die Stimmung gerade günstig oder ungünstig war. Und jedesmal entwickelte sich der Markt genau so, wie er es vorausgesagt hatte.
    Solche Triumphe brachten ihm den Rut eines Schakals der Wall Street ein, und viele der berühmtesten Künstler des schnell verdienten Geldes fragten ihn um Rat.
    Er trachtete jedoch nach Höherem als dem Aktienmarkt, den Machenschaften der Unternehmen oder dem Einsatz seiner prophetischen Fähigkeiten. Nichts Geringeres schwebte ihm vor als die Position des

Weitere Kostenlose Bücher