Azazel
Obersten Wirtschaftswissenschaftlers der Vereinigten Staaten oder des >Wirtschaftsberaters des Präsidenten<, wie dieser Staatsbeamte im allgemeinen bezeichnet wird.
Du mit deiner beschränkten Bildung weißt sicher nicht, wie überaus heikel die Stellung des Obersten Wirtschaftswissenschaftlers ist. Der Präsident der Vereinigten Staaten muß Entscheidungen fallen, die den Einfluß der Regierung auf Handel und Wirtschaft bestimmen. Er muß das Geldvolumen und die Banken überwachen. Er muß Maßnahmen in die Wege leiten oder unterbinden, die Auswirkungen auf Landwirtschaft, Handelsverkehr und Industrie haben. Über die Verteilung der Steuermittel hat er zu entscheiden, und er muß festlegen, wieviel davon an das Militär gehen soll und ob möglicherweise noch etwas für andere Dinge übrig bleibt. Und über all diese Fragen beratschlagt er sich zu allererst mit dem Obersten Wirtschaftswissenschaftler.
Der Oberste Wirtschaftswissenschaftler muß sofort wissen, was der Präsident von ihm hören will. Er muß ihm die entsprechenden Informationen liefern, zusammen mit den üblichen nichtssagenden Schlagwörtern, die der Präsident dann der amerikanischen Öffentlichkeit präsentieren kann. Als du mir die Geschichte von dem Präsidenten, dem Physiker, dem Statistiker und dem Wirtschaftswissenschaftler erzählt hast, alter Freund, dachte ich zuerst, du hättest die heikle Aufgabe des Wirtschaftswissenschaftlers erkannt. Dein völlig unangebrachtes Lachen am Ende hat mir jedoch deutlich gemacht, daß du nicht verstanden hast, worauf es ankommt.
Als Vissarion das vierzigste Lebensjahr erreicht hatte, verfügte er über alle nötigen Qualifikationen, um jedweden Posten antreten zu können - egal wie hoch hinauf er wollte. Im Institut für Staatswirtschaft hatte es sich bereits herumgesprochen, daß Vissarion Johnson in den letzten sieben Jahren seinen Klienten nicht ein einziges Mal etwas gesagt hatte, was der- oder diejenige nicht hören wollte. Darüber hinaus war er mit Handkuß in den kleinen Kreis des KFP aufgenommen worden.
Du mit deiner Unwissenheit, was das Geschehen jenseits deiner Schreibmaschine anbelangt, hast sicher noch nie vom KFP gehört - das ist eine Abkürzung für den Klub der Fallenden Profitrate. Tatsächlich wissen nur sehr wenige Menschen von ihm. Selbst unter den weniger bedeutenden Wirtschaftswissenschaftlern ist er weitgehend unbekannt. Er besteht aus einer kleinen, äußerst exklusiven Gruppe von Wirtschaftswissenschaftlern, die das komplizierte Gebiet der thaumaturgischen Wirtschaftswissenschaft -oder >Voodoo-Wirtschaftswissenschaft<, wie es ein Politiker so herrlich prosaisch genannt hat - bis zur Vollkommenheit beherrschen.
Es ist weithin bekannt, daß man es in der Regierung nur zu etwas bringen kann, wenn man dem KFP angehört. Als der Vorsitzende des KFP überraschend das Zeitliche segnete und ein Komitee der Organisation seinen Posten Vissarion anbot, frohlockte er innerlich. Als Vorsitzender des KFP würde er sicher bei nächster Gelegenheit zum Obersten Wirtschaftswissenschaftler berufen werden. Dann säße er direkt am Quell der Macht und hätte sogar Einfluß auf die Entscheidungen des Präsidenten.
Eines bereitete Vissarion jedoch Sorgen und brachte ihn in furchtbare Verlegenheit. Er war der Meinung, daß er sich mit jemandem beraten mußte, der über einen kühlen Kopf und großen Scharfsinn verfügte, und wandte sich deshalb an mich - wie es jeder in seiner Lage getan hätte.
»George«, sagte er, »wenn ich Vorsitzender des KFP werde, gehen meine größten Hoffnungen und kühnsten Träume in Erfüllung. Das ist der erste Schritt in eine phantastische Zukunft als Speichellecker. Vielleicht gelingt es mir sogar, den zweiten Berater des Präsidenten in dieser Hinsicht zu übertreffen - den Obersten Wissenschaftler der Vereinigten Staaten.«
»Du meinst den wissenschaftlichen Berater des Präsidenten.«
»Wenn du es so salopp ausdrücken willst. Ich muß lediglich Vorsitzender des KFP werden, und innerhalb von zwei Jahren werde ich der Oberste Wirtschaftswissenschaftler sein. Es sei denn ...«
»Es sei denn, was?« fragte ich.
Vissarion schien sich zu sammeln. »Ich muß ganz von vorn anfangen. Der Klub der Fallenden Profitrate wurde vor zweiundsechzig Jahren gegründet. Seinen Namen verdankt er dem Gesetz der fallenden Profitrate - ein Gesetz, von dem jeder Wirtschaftswissenschaftler, egal wie schlecht seine Ausbildung sein mag, schon einmal gehört haben muß. Der erste
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