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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Mondes und der wenigen Straßenlaternen auf der anderen Seite deutlich zu erkennen. Bremer versuchte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, und fragte: »Was macht das Bein? Tut's weh?«
    »Es geht«, antwortete Hayrnar. Seine Augen wurden schmal; offensichtlich hatte Bremer sich doch nicht so gut in der Gewalt gehabt wie er gehofft hatte - oder er hatte etwas gehört. Er sah Bremer noch eine halbe Sekunde lang durchdringend an, dann setzte er dazu an, sich herumzudrehen.
    »Schade«, sagte Bremer. »Ich hatte gehofft, es wäre gebr o chen.«
    Seine Rechnung ging auf. Für einen ganz kurzen Moment verzerrte sich das Gesicht des anderen vor Wut, und für einen noch kürzeren Moment war er unaufmerksam, und Bremer nutzte diese Chance. Mit aller Kraft stieß er sich vom Wagen ab und sprang ihn an.
    Noch während er es tat, begriff er, daß er mit seiner Einschätzung ziemlich genau ins Schwarze getroffen haben mußte. Der Mann versuchte nicht, nach einer Waffe zu greifen - dazu war er einfach zu nahe -, aber er ging mit einer fließenden und unglaublich schnellen Bewegung in die Grundstellung irgendeiner Kampftechnik - Karate oder Jiu Jitsu oder was immer sie auch gelernt haben mochten -, und Bremer wäre wahrscheinlich nicht einmal dazu gekommen, auch nur einen einzigen Schlag anzubringen. Allerdings versuchte er es auch nicht. Statt dessen trat er Haymar mit aller Gewalt vor das verletzte Bein.
    Der Agent schrie auf - es war eher ein Kreischen als wirk lich ein Schrei -, kippte zur Seite und griff mit der linken Hand nach seinem Unterschenkel. Die andere fuhr unter seine Jacke und kam mit einer Waffe wieder zum Vorschein, noch ehe er seinen Sturz ganz zu Ende gebracht hatte, doch diesmal war Bremer vorbereitet, sowohl auf seine Schnelligkeit als auch darauf, daß der andere keine Skrupel haben würde, seine Waffe einzusetzen: Seine Schuhspitze traf Haymars Hand und prellte ihm die Waffe aus den Fingern, und fast im gleichen Sekundenbruchteil bückte er sich und schmetterte ihm mit aller Gewalt die Faust vor die Schläfe.
    Es war ein Gefühl, als hätte er gegen massiven Fels geschlagen. Bremer keuchte vor Schmerz, aber aus Haymars neuerlichem Schrei wurde ein gurgelndes Keuchen, dann verdrehte er die Augen und sank bewußtlos zurück. Trotzdem blieb Bremer noch zwei, drei Sekunden über ihn gebeugt stehen. Er traute dem Kerl durchaus zu, daß es nur eine Finte war.
    »Saubere Arbeit«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.«
    Bremer richtete sich auf und starrte Sendig fast haßerfüllt an. »Man lernt eben nie aus«, sagte er. »Wo kommen Sie denn her? Waren Sie die ganze Zeit über in der Nähe und haben zugesehen, wie sie mich zusammengeschlagen haben?«
    Sendig grinste. Er war halb aus dem Mercedes gestiegen, hatte aber noch einen Fuß im Wagen und eine Hand auf dem Steuer. Die andere hielt eine Pistole, die auf die reglose Gestalt zu Bremers Füßen zielte. »Jetzt übertreiben Sie«, sagte er. »Erstens haben sie Sie nicht zusammengeschlagen, und zweitens: Was hätte ich tun sollen? Mit Posaunenschall und wehenden Fahnen ankommen und eine wüste Schießerei beginnen? Ehrlich - die Zeiten, in denen ich an so etwas Spaß hatte, sind längst vorbei.«
    Bremer spießte ihn weiter mit Blicken regelrecht auf, aber sein Zorn begann bereits wieder zu verrauchen. Sendig hatte ja recht - auch wenn Haymar und seine beiden Kollegen so aussahen, als wären sie aus einem amerikanischen AgentenKrimi entsprungen, gab ihnen das noch lange nicht das Recht, sich auch so zu benehmen.
    »Sie hätten mich wenigstens warnen können, daß ich beschattet werde«, sagte er ärgerlich.
    »Damit Sie nervös weiden und anfangen, Fehler zu machen?« Sendig schüttelte den Kopf. »Ich habe etwas viel Geschickteres gemacht, mein Lieber - ich habe die Leute beschattet, die Sie beschattet haben. Wie Sie sehen, mit Erfolg. Wo sind die anderen? Wieso sind sie so plötzlich verschwunden?«
    Bremer hatte plötzlich das heftige Bedürfnis, sich selbst zu ohrfeigen. So unglaublich es ihm selbst vorkam - er hatte für ein paar Sekunden einfach vergessen, warum er überhaupt hier war. Aber er kam trotzdem nicht mehr dazu, Sendigs Frage zu beantworten, denn in diesem Moment erklang hinter der Straßenbiegung ein gellender, unmenschlicher Schrei, gefolgt von einem Blitz und dem Geräusch von auseinanderberstendem Metall.
    28. Kapitel

Die Vision dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber in dieser

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