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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Lichtreflexe auf die Ziegelsteinmauern, wie der Widerschein eines lautlosen, gleichmäßigen Gewitters. Irgend etwas war dort draußen. Bremer konnte es spüren. Irgendwo in diesen regelmäßig erscheinenden und wieder mit der Nacht verschmelzenden Schatten waren unsichtbare Augen, die ihn anstarrten, belauerten, gierig, drohend, abwartend.. Er war da. Er war die ganze Zeit über in seiner Nähe gewesen, ein unsichtbarer Schemen, der stets in den Schatten lauerte und dem keiner seiner Schritte entging. Ganz plötzlich begriff Bremer, wie sinnlos alle seine Versuche gewesen waren, vor ihm davonzulaufen. Wie konnte er vor etwas fliehen, das Teil von ihm war?
    Die beiden Sanitäter hatten mittlerweile wohl begriffen, daß Sendig keineswegs scherzte, und legten zögernd ihre Sprechfunkgeräte auf den Wagenboden. »Sehr vernünftig«, sagte Sendig. »Und wenn ich Sie jetzt noch um Ihre Geldbörsen bitten dürfte? Keine Sorge - ich will Sie nicht bestehlen. Ich m ö chte nur sichergehen, daß Sie nicht telefonieren.«
    Die Männer gehorchten auch diesmal, aber einer sagte: »Was soll denn der Unsinn? Was glauben Sie, wie weit Sie mit der Kiste kommen?«
    »Weit genug«, antwortete Sendig. Er wandte sich an Bremer: »Können Sie den Wagen fahren?«
    Bremer sah weiter die Straße hinab. Einer der Schatten dort draußen bewegte sich in einem anderen Rhythmus als dem des flackernden Blaulichts. Er kam nicht näher, aber er schien zu wachsen, als erhielte er mit jedem neuen Zyklus von hell nach dunkel ein wenig mehr Substanz. Er konnte ihn immer noch nicht wirklich erkennen, aber das brauchte er auch nicht. Er wußte, was es war: etwas Großes, Glitzerndes, mit Klauen und Zähnen und einem Paar gewaltiger stählerner Schwingen...
    »Bremer?«
    »Ja«, sagte der mühsam. »Ja, okay. Ich... kann ihn fahren. Aber er hat recht - wir kommen keine zwei Kilometer weit.«
    »Einen Krankenwagen zu kidnappen ist eine ziemlich bes cheuerte Idee«, pflichtete ihm der Fahrer bei.
    Auf Sendigs Gesicht erschien ein Ausdruck grimmiger Zufriedenheit. »Stimmt«, sagte er. Er wandte sich an den Arzt. »Doktor?«
    Der Arzt starrte ihn an. »Ich beuge mich der Gewalt«, sagte er. »Aber ich warne Sie. Wenn der Junge stirbt, dann ist das Mord - und der geht auf Ihr Konto.«
    Sendig antwortete nichts darauf. Nach einigen weiteren Sekunden erhob sich der Arzt, öffnete eine Schublade und zog eine bereits fertig aufgezogene, in Cellophan eingeschweißte Spritze hervor. »Das ist Wahnsinn«, murmelte er, während er die Verpackung abriß und die Nadel in den durchsichtigen Plastikschlauch stach, aus dem die Infusionslösung in Marks Vene tropfte. »Mit einer fünfzigprozentigen Wahrscheinlichkeit wird es ihn umbringen.«
    »Wie lange dauert es, bis es wirkt?« fragte Sendig unbeeindruckt.
    »Keine Ahnung.« Der Arzt hob die Schultern. »Fünf Minuten.. zehn. Wenn überhaupt.«
    »Wunderbat«, sagte Sendig. Er wedelte mit der Pistole. »Wenn Sie sich jetzt bitte zu Ihren Kollegen begeben würden, Herr Doktor. Ihr Funkgerät und Ihre Geldbörse, bitte.«
    Der Arzt legte die verlangten Gegenstände neben die der beiden Sanitäter auf den Wagenboden, drehte sich dann aber noch einmal herum und zog eine weitere cellophanverpackte Wegwerfspritze aus einer Schublade. Er reichte sie Bremer. »Wenn er kollabiert, geben Sie ihm das«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob es hilft, aber es ist das einzige, was ich noch tun kann.« Du hättest mehr tun können, fügte sein Blick hinzu. Du hättest diesen Verrückten aufhalten können. Vielleicht kannst du es noch. Ehe er den Jungen umbringt. Bremer hatte nicht die Kraft, diesem Blick länger als eine Sekunde standzuhalten. Er schob die Spritze in die Innentasche seiner Jacke, wobei er sorgsam darauf achtete, die Nadel nicht zu verbiegen, und wandte sich ab.
    Bremers Blick suchte die Straße ab. Es war da. Und es kam näher; immer dann, wenn das zuckende Blaulicht für einen Moment erlosch, kam es nähen eine schwarze Schimäre, die geduckt von Schatten zu Schatten sprang, wie ein Raubtier, das sich an seine Beute heranpirschte. Er war sicher, solange er hier drinnen blieb, aber wenn er den Wagen verließ, würde es ihn kriegen. Er schloß die Augen, aber es nutzte nichts. Der Terror fand hinter seinen Lidern statt.
    »Geben Sie doch auf, Mann!« Der Arzt versuchte ein letztes Mal, an Sendigs Vernunft zu appellieren. »Ich... ich verspreche Ihnen, daß niemand etwas davon erfährt. Keiner von uns wird etwas sagen. Wenn

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