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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dem Jungen nichts geschieht, vergessen wir die Sache einfach!«
    Sendig deutete mit der Pistole die Straße hinab. »Gehen Sie, Doktor. Wenn Sie sich beeilen, sind Sie in zehn Minuten an der Hauptstraße und können einen Wagen anhalten. Und wenn Sie noch einen guten Rat von mir wollen: Vertrauen Sie in den nächsten Tagen niemandem. Erzählen Sie vor allem niemandem, daß Sie mi t dem Jungen in Berührung gekom men sind. Und jetzt verschwinden Sie!«
    Die drei Männer drehten sich um. Die ersten Schritte gingen sie noch langsam, aber dann verfielen sie in einen schnellen Laufschritt und rannten schließlich. Sendig wedelte ungeduldig mit seiner Waffe. »Bremer! Fahren Sie los. Wir haben nicht viel Zeit. Und schalten Sie dieses verdammte Blaulicht aus.«
    Bremer wollte aus dem Wagen steigen, aber er konnte es nicht Er war wie gelähmt. Das Ding war dort draußen. Es wartete auf ihn. Er war verloren, wenn er die Sicherheit des Wagens verließ.
    » Was ist mit Ihnen, Bremer?« fragte Sendig. Er klang plötzlich alarmiert. »Stimmt etwas nicht?«
    Bremers Hände und Knie begannen zu zittern. Er war wieder fünf Jahre alt und lag mit über den Kopf gezogener Decke im Bett, und draußen schlich das Monster herum. Es war stickig unter der Bettdecke, es war heiß, und er bekam kaum noch Luft, aber das Monster würde ihn kriegen, sobald er die Decke auch nur um einen Spalt hob.
    »Er... kommt«, flüsterte Bremer.
    Sendigs Augen wurden schmal. Eine Sekunde lang starrte er ihn an, dann folgte er seinem Blick und sah lange und mißtrauisch auf die Straße hinaus. Vielleicht nahm er ebenfalls etwas wahr, vielleicht auch nicht. Nach einigen Sekunden jedenfalls steckte er die Waffe ein und deutete über die Schulter zurück zur Fahrerkabine. »Also gut. Ich fahre. Bleiben Sie hier und achten Sie auf den Jungen.«
    35. Kapitel
    Petri hatte zu beten begonnen. Obwohl er ein zutiefst gläu biger Mensch war, hatte er seit Jahren nicht mehr gebetet. Jetzt tat er es. Seine Lippen bewegten sich lautlos, denn er hatte die Worte vergessen, aber die bloße Tätigkeit spendete ihm Trost. Er wußte nicht mehr, warum, aber da war etwas wie ein warmes Feedback in ihm, der Schatten einer verblassenden Erinnerung, der ihm noch eine Spur von Wärme vermittelte. Er konnte sich nicht erinnern, es getan zu haben, aber er mußte Sillmann wohl in den nächsten Keller gefolgt sein, denn sie waren in einem anderen Raum. Er enthielt Dinge, die ihn erschreckten, ohne daß er wußte, warum.
    »Sie haben alles dabei?« fragte... wer? Sillmann? Petri antwortete nicht, aber er hörte, wie Sillmann sich herumdrehte und auf ihn zukam. Dann berührte er ihn an der Schulter, und Petri mußte die Augen öffnen. Bisher hatte er es nicht gewagt. Die Dunkelheit hinter seinen Lidern machte ihm angst, aber solange er sie geschlossen hielt, konnte er sich wenigstens einreden, daß auf der anderen Seite Licht war und eine Welt, die nicht Stück für Stück erlosch.
    »Was ist mit Ihnen, Doktor?« fragte der Mann, dessen Namen er vergessen hatte. »Fühlen Sie sich nicht wohl?«
    Petris Blick irrte unstet durch den Raum. Die Welt war noch da, aber sie war jetzt asymmetrisch. Der Keller hatte keine geometrisch erkennbare Form mehr. Die Stücke, die die Wirklichkeit eingebüßt hatte, waren größer geworden. Er befand sich im Inneren eines Ballons, der unaufhaltsam schrumpfte. Aber noch war etwas da. Ein Stück Wand, das nahtlos in die gegenüberliegende Seite des Raumes überging, obwohl der Boden davor unversehrt geblieben war, ein Fragment der Tür, über dem ein sichelförmiges Fragment der Decke begann. Noch während er hinsah, wich wieder ein wenig Luft aus dem Ballon. Das Universum schrumpfte.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte das Gesicht vor ihm. »Wenn wir die Nerven behalten, kann gar nichts passieren. Wir haben es schon einmal geschafft, und damals war es viel gefährlicher als heute.« Er sah Petri an, wartete vergebens auf eine Antwort und rüttelte schließlich unsanft an seiner Schulter. Petri rührte sich nicht Er wußte nicht, wer dieses Gesicht vor ihm war, und die Worte hatten jede Bedeutung verloren. Er hatte auch aufgehört zu beten. Er wußte nicht mehr, wie es ging und zu wem er hätte beten sollen.
    »Verdammt, Petri, reißen Sie sich gefälligst zusammen!« schnauzte Sillmann. »Machen Sie nicht ausgerechnet jetzt schlapp!« Er packte Petri an beiden Schultern und schüttelte ihn so heftig, daß seine Zähne aufeinanderschlugen. »Ich

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